Dabei beschränken sie sich nicht auf die klassischen Agrarproduktionsthemen, sondern behandeln zunehmend auch Fragen des Klima und Umweltschutzes und der ländlichen Entwicklung. Aktuell gibt es dreizehn solcher Gruppen: „Tierische Erzeugnisse“, „Ackerkulturen“, „Gemeinsame Agrarpolitik“, „Direktzahlungen und Greening“, „Umweltschutz und Klimawandel“, „Forstwirtschaft und Kork“, „Gartenbau, Oliven und Spirituosen“, „Internationale Aspekte der Landwirtschaft“, „Milch“, „Öko- Landbau“, „Qualität und Absatzförderung“, „Ländliche Entwicklung“ und „Wein“.
Einfluss der Landwirtschaft schwindet
Die Gruppen für den zivilen Dialog sind kein neues Gebilde, sondern Nachfolger der sogenannten „Advisory Groups“ – Beratungsgruppen im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik. Vor Juli 2014 gab es insgesamt 31 dieser Gremien (u.a. einzelne für Zucker, Weinbau, Rindfleisch, Milch, Baumwolle, Bienenzucht usw.). Bisher wurden die Beratungsgruppen durch die auf Gemeinschaftsebene tätigen Branchenverbände dominiert. Beispielsweise nahmen an der letzten Sitzung der Beratungsgruppe „Zucker“ im Juni 2014 der Dachverband der Lebensmittelindustrie (FoodDrinkEurope), die zwei großen landwirtschaftlichen Dachorganisationen COPA/COGECA, der Europäische Verbindungsausschuss für Agrar- und Lebensmittelhandel (CELCAA), die Europäische Koordination Via Campesina (ECVC), der Europäische Verband der Landwirtschafts-, Lebensmittel- und Tourismusgewerkschaften (EFFAT), der Europäische Verbraucherverband (BEUC) sowie als einzige Umwelt-NGO das Europäische Umweltbüro (EEB) teil.
Neue Zusammensetzung
Mit der jüngsten Reform wurden die beratenden Gremien in der Agrarpolitik nicht nur umbenannt und zahlenmäßig reduziert, sondern sie wurden auch für die nächsten sieben Jahre neu besetzt. Insgesamt 103 Organisationen haben einen Antrag auf Mitgliedschaft in den Gruppen gestellt. Um angenommen zu werden, mussten die Bewerber bestimmte Kriterien erfüllen, u. a. über Expertise im Agrarbereich verfügen. Die Kommission hat am Ende 68 Anträge akzeptiert. Im Vergleich zur bisherigen Situation sind nun 43 neue Organisationen als Vollmitglieder anerkannt. Es handelt sich hier vornehmlich um Organisationen im Bereich Umwelt und Tierschutz. Gleichzeitig verloren die Branchenverbände an Gewicht. Die Zusammensetzung der neu aufgestellten Gruppe „Direktzahlungen und Greening“ ist als Beispiel in der Tabelle aufgelistet.
Zusammensetzung der Gruppe "Direktzahlungen und Greening" | ||
---|---|---|
Organisation | Beschreibung | Zahl der Sitze |
Beelife | Umwelt-NGO | 1 |
Birdlife | Umwelt-NGO | 2 |
CEJA | Europäischer Rat der Junglandwirte | 5 |
CELCAA | Verbindungsausschuss fürAgrar- und Lebensmittelhandel | 4 |
CEPM | Vereinigung der europäischen Maiserzeuger | 2 |
COGECA | Landwirtschaftliche Dachorganisation | 14 |
COPA | Landwirtschaftliche Dachorganisation | 14 |
ECPA | Verband der europäischen Pflanzenschutzindustrie | 1 |
ECVC | Europäische Koordination Via Campesina (setzt sich für kleinflächige Landwirtschaft ein) | 3 |
EEB | Europäisches Umweltbüro (Umwelt-NGO) | 4 |
EFFAT | Europäischer Verband der Landwirtschafts-, Lebensmittel- und Tourismusgewerkschaften | 1 |
EFNCP | Europäisches Forum für Naturschutz und umweltschonende Landnutzung (setzt sich für extensive Landwirtschaft ein) | 1 |
ELO | Europäischer Grundbesitzerverband | 4 |
EMB | Verband im Bereich Meeresforschung „European Marine Board“ | 2 |
EURAF | Europäische Agroforstliche Vereinigung (fördert die Nutzung von Bäumen in der Agrarlandschaft) | 2 |
Fertilizers Europe | Fertilizers Europe Dachverband der Düngemittelhersteller | 1 |
FoodDrinkEurope | FoodDrinkEurope Dachverband der Lebensmittelindustrien | 4 |
Greenpace | Umwelt-NGO | 1 |
IFOAM | Internationale Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen | 3 |
Pan Europe | Umwelt-NGO „Pesticide Action Network“ | 1 |
SACAR | Dachverband der Agrarhändler | 1 |
WWF | Naturschutzorganisation „World Wide Fund For Nature“ | 1 |
Quelle: Beschluss der Kommission “Decision on the composition of the civil dialogue groups dealing with matters covered by the Common Agricultural Policy” R4 – Ares(2014)2596788
Aufgabenspektrum der Gruppen
Die offiziellen Aufgaben der Gruppen für den zivilen Dialog umfassen: Pflege eines regelmäßigen Dialogs über alle Themen mit Bezug zur Gemeinsamen Agrarpolitik, insbesondere über die von der Kommission geplanten Maßnahmen, Ermöglichung eines Erfahrungsaustausches, Unterstützung und Beratung der Kommission sowie Überwachung der politischen Entwicklungen. Darüber hinaus können die Gruppen auf Ersuchen der Kommission oder auf eigene Initiative Stellungnahmen zu spezifischen Themen abgeben. Die Kommission ist an diese zwar nicht gebunden, bemüht sich jedoch nach eigenen Worten um eine „weitest mögliche Berücksichtigung“. Zur Prüfung spezifischer Fragestellungen können Arbeitsgruppen eingesetzt werden. Die Protokolle der Sitzungen der Gruppen sowie dort präsentierte und diskutierte Dokumente werden im Internet veröffentlicht.
NGOs – stärker und einflussreicher
Die Bedeutung der NGOs als Partner der EU-Institutionen ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Diese Entwicklung wird von der Kommission ausdrücklich begrüßt und – auch finanziell – unterstützt. Im Jahr 2013 haben europäische NGOs 4,49 Milliarden EUR aus dem EU-Haushalt erhalten; 2004 waren es erst 1,92 Milliarden EUR (Quelle: Generaldirektion Haushalt, EU-Kommission). Die meisten Gelder fließen in den Bereich „Entwicklungszusammenarbeit“ (33,8 %), gefolgt von den Bereichen „Humanitäre Hilfe“ (21,3%), „Forschung und Innovation“ (12,9%) und Umwelt (5,3%). Finanziert werden sowohl konkrete Maßnahmen und Projekte der NGOs als auch die Organisationen selbst (Betriebskosten). Als Ergebnis beziehen heute viele NGOs einen wesentlichen Teil ihrer Einnahmen direkt aus dem EU-Haushalt. Bei dem Europäischen Umweltbüro waren das 41 % (894.000 EUR), bei Birdlife Europe 35 % (332.163 EUR), bei WWF Europe 13 % (599.951 EUR), wie das renommierte Institute for Economic Affairs in London für 2011 errechnete.
Dialog mit Verbrauchern
Die Reform der beratenden Gremien stärkt zum einen die Position der Umwelt-NGOs, die sich dank dieser neuen Plattform noch aktiver in die Arbeit der Kommission einbringen können und werden. Dabei stehen sie einer modernen, nachhaltig intensiven und exportorientierten Landwirtschaft in ihrer Mehrheit kritisch gegenüber. Zum anderen ist die Reform ein weiterer Schritt in der Entwicklung der GAP von einer reinen Sektorpolitik für die Landwirte zu einer gesamtgesellschaftlichen Lebensmittelpolitik. Indem sie Fragen der Umwelt, des Tierschutzes und der ländlichen Entwicklung stärker betont, verdeutlicht die Reform, dass diesen Bereichen nun eine erhöhte Bedeutung beigemessen wird. Damit versucht die Kommission auch in der Organisation des Politikbetriebes den gewachsenen gesellschaftlichen Ansprüchen an die Agrarpolitik gerecht zu werden. Die Landwirtschaft wird dabei immer weniger als Teil der Lösung, sondern zunehmend als Teil des Problems gesehen. Um dieser beunruhigenden Entwicklung entgegenzuwirken, ist es notwendig, die Akzeptanz der Gesellschaft für die moderne Landwirtschaft und ihre Produktionsmethoden zu steigern. Dafür muss die Branche aber aktiver und intensiver kommunizieren. Hier gilt es, moderne Produktionsprozesse und den notwendigen Fortschritt sowie deren Nutzen für Verbraucher und Umwelt zu erklären und über die vielfältigen Leistungen der modernen Landwirtschaft für die Gesellschaft zu informieren.
Justyna Jaroszewska
ist Referentin für Agrarpolitik
der Südzucker AG.
Sie informiert die Leser der dzz
regelmäßig über aktuelle Themen
in der Agrarpolitik.