Markt, Politk und Ökonomie

Aktuelles vom Zuckermarkt

Zuckerpreis weiter im Aufwind

Global keine Überversorgung

Michael Schäfer, Südzucker AG, Leiter strategische Marktanalyse/Vertriebssteuerung

Von Dr. Michael Schäfer Europa ist bekanntlich ein Nettoimporteur von Zucker und somit kann das Marktgeschehen in Europa nicht losgelöst vom Weltmarkt betrachtet werden. Daher wird im Folgenden zunächst kurz auf die aktuelle globale Versorgungssituation eingegangen. Nach drei weltweiten Defizitjahren soll es in 2022/23 – in erster Linie bedingt durch eine höhere Erzeugung in Brasilien und Thailand – zu einem leichten Bestandsaufbau von 1,7 Mio. t kommen. Dennoch liegt das Verhältnis von Endbeständen zum Verbrauch mit rund 38 % auf einem relativ niedrigen Niveau (Abb. 1). Dazu kommt, dass derzeit weltweit Weißzucker knapp ist.

Infolgedessen ist der Weltmarktpreis für Weißzucker inzwischen auf ein Niveau von rund 560 USD/t gestiegen (Abb. 2) und die Prämie für Weißzucker hat sich von 130 USD/t im letzten Monat auf 150 USD/t entwickelt, was auf eine starke Nachfrage nach Weißzucker schließen lässt. Auch die Rohzucker Futures sind durch eine weitere Stärkung des brasilianischen Reals gegenüber dem US-Dollar wieder angezogen. Derzeit liegt Rohzucker bei rund 18,5 Cent/lb (rund 410 €/t). Basierend auf dem relativ hohen Preisniveau von Roh- und Weißzucker sowie dem Anstieg der Raffinationskosten (steigende Energiepreise und hohe Frachtkosten) erhöht sich auch die Importparität in Europa und stützt die Zuckerpreise in der EU.

Aktuelle Entwicklung am EU-Zuckermarkt – Markt geprägt von Dürre und Kostensteigerungen

Der EU-Zuckermarkt wird 2022/23 nur sehr knapp versorgt sein, da die Zuckerrübenfläche in der EU 27 im Vergleich zur Kampagne 2021/22 um ca. 4-5 % von 1,399 auf 1,338 Mio. ha reduziert wurde. Der stärkste Flächenrückgang ist in den Ländern Rumänien (58 %) und Ungarn (19 %) zu verzeichnen, gefolgt von Litauen (14 %), Kroatien (11 %), Polen (10 %) und der Slowakei (9 %) (Karte).

Bezogen auf die Zuckererzeugung wirkt sich diese Flächenreduktion am stärksten in Polen, Rumänien und Frankreich aus. Basierend auf dieser Flächenreduktion geht die EU-Kommission in ihrer aktuellen Schätzung unter Annahme eines Zuckerertrages von 11,7 t/ha (dies entspricht dem Fünf- Jahresschnitt) derzeit noch von einer Erzeugung von 15,8 Mio. t Zucker für das kommende Zuckerwirtschaftsjahr 2022/23 (850.000 t niedriger als im Vorjahr) aus. Bei nahezu unverändertem Verbrauch würde dies in einem Rückgang der Endbestände um ca. 350.000 t Zucker von 1.935 auf 1.585 Mio. t Zucker resultieren (Tabelle).

DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

Wie sich die Versorgung des EU-Marktes in 2022/23 am Ende konkret darstellen wird, ist noch nicht sicher. Neben dem Rüben- bzw. Zuckerertrag ist dies weiterhin von vielen Faktoren, wie z.B. der Energieversorgung, der Nachfrageentwicklung und dem Weltmarktpreis abhängig.

Bei der geringeren Anbaufläche für Zuckerrüben und einer zu erwartenden unterdurchschnittlichen Ernte ist aber davon auszugehen, dass der Markt merklich angespannt bleiben wird. Es sollte klar sein, dass neben der knappen Versorgungslage insbesondere die Entwicklung der Produktionskosten (Energie, Rübenpreise, Verpackung, Frachten, etc.) zu einem Preisanstieg bei Zucker führen werden.

Geringe Erzeugung bei steigenden Kosten

Diese Einschätzung stammt jedoch aus dem Juli und es ist aufgrund der anhaltenden Trockenheit davon auszugehen, dass diese Zuckermenge niedriger ausfallen wird. Entsprechend der aktuellsten Karte des EU Dürremonitors befinden sich 47 % des EU-Gebiets im Zustand der „Warnung“ mit einem Bodenfeuchtedefizit und 17 % der Fläche im Zustand „Alarm“ mit starkem Vegetationsstress. Der Einfluss des Wassermangels und der anhaltenden Hitze zeigt sich derzeit bereits in extremer Form in den Maisbeständen.

Neben der Dürre in Europa wird die Zuckerindustrie ebenfalls durch die Kostenentwicklungen (Rohstoff Zuckerrübe, Frachten, Verpackungsmaterial, CO₂-Zertifikate,…) und insbesondere der Versorgungsunsicherheit mit ausreichend Energie (Gas) vor besondere Herausforderungen gestellt. Somit ist es zurzeit so unsicher wie nie zuvor, wie viel Zucker zur Vermarktung zur Verfügung stehen wird.

Steigen die Zuckereinfuhren der EU wieder an?

Basierend auf den vorläufigen Produktionszahlen der EU-Kommission sowie Verbrauchsdaten der ISO ergibt sich für die EU folgendes Bild: Die Top 5-Zuckererzeuger in Europa sind mit einem Mengenanteil von rund 80 % weiterhin Frankreich und Deutschland mit je 4,3 Mio. t, Polen (2 Mio. t), Niederlande (1,2 Mio. t) sowie Belgien (0,7 Mio. t). Die Top 5-Verbraucher von Zucker sind neben Deutschland (3 Mio. t), Frankreich (2,9 Mio. t) und Polen (1,8 Mio. t), aber auch Italien (1,6 Mio. t) und Spanien (1,3 Mio. t). Aus den Hauptüberschussländern Frankreich, Deutschland, Niederlande, Polen und Belgien wird somit Zucker in die Defizitgebiete wie z.B. Italien, Spanien, Griechenland, Rumänien, Ungarn geliefert.

Hinzu kommen die Extra-EU-Importe und Exporte. Die Zuckereinfuhren der EU von 1,4 Mio. Zucker stammen in der Regel zu 40 % aus EPA/EBA Ländern (z.B. Mauritius, Belize, Swasiland, Mozambique), 18 % aus Brasilien, 17 % aus Zentralamerika/Kolumbien/Peru, 10 % aus dem Balkan sowie 10 % aus Südafrika.

In 2022/23 werden diese Importe vermutlich höher ausfallen müssen. Aus diesen Importen können jedoch nicht alle Kundensegmente mit den nachgefragten Produkten (Verpackung, Angebot regionaler Produkte), Service-Leveln, guter Qualität und maßgeschneiderten Supply Chain Konzepten bedient werden. Die Hauptempfänger dieser Importe (aus Extra-EU-Ländern) sind Spanien, Italien, Rumänien, Bulgarien.

Zuckerpreise im Aufwärtstrend

Die fünf wichtigsten Empfängerländer (Extra-EU-Länder) der 0,75 Mio. t Exporte aus der EU waren mit 25 % UK , 18 % Israel, 9 % Norwegen, 8 % die Schweiz und 6 % Albanien. Der Zucker wurde vornehmlich aus Frankreich, Belgien, Deutschland, Polen und Dänemark geliefert.

Die größten Absatzmärkte für Zucker in Westeuropa bleiben die Getränkeindustrie (Soft Drinks und alkoholische Getränke), gefolgt von der Molkereiindustrie und den Herstellern von Backwaren.

Zusammen machen diese rund 60 % des Gesamtabsatzes aus. Der Rest wird im Wesentlichen in den Segmenten Süßwaren, Kekse, Eiscremes und im Lebensmitteleinzelhandel abgesetzt.

Der europäische Zuckerpreis befindet sich weiter im Aufwärtstrend, da der Markt 2022/23 durch einen sehr geringen Endbestand geprägt sein wird.

Das Preisreporting der EU Kommission ist im Juni 2022 auf 453 €/t angestiegen, das sind 56 € mehr als im selben Monat letztes Jahr und liegt wieder über dem Referenzpreis von 404 €/t. Bei den aktuellen Zuckerpreisen in Europa ist davon auszugehen, dass sich das EU-Preisreporting auf ein höheres Niveau einstellen wird. Auch die Spot-Zuckerpreise in Europa sind seit Beginn des Jahres beträchtlich angestiegen. Gründe hierfür sind weiterhin das knappe Angebot an Zucker in Europa, die knappen Endbestände, sowie die hohen Produktionskosten. Die Aussichten im Bereich der zuckerhaltigen Co-Produkte sind ebenfalls als sehr positiv einzustufen. Die hohen Getreidepreise und die Knappheit am Markt für zuckerhaltige Co-Produkte bewirken höhere Preise für Zuckerrübenschnitzel und Melasse.