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Massive Kostensteigerungen

Heraus­forderung Energie­versorgung

Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Kampagne

Ralf Heckmann, Leiter Einkauf Hilfs- und Betriebsstoffe, Südzucker AG

Von Ralf Heckmann Der Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat die Energiemärkte in Europa durcheinander gewirbelt. Seit dem 24.02.2022 haben die Preise für Gas und Strom nie gekannte Höhen erreicht. Man darf dabei allerdings nicht vergessen, dass speziell der Anstieg der Gaspreise bereits seit Anfang 2021 Fahrt aufgenommen hat.

Politische Rahmenbedingungen

Wenn man die Entwicklung dieser Krise im Nachgang betrachtet, kann man den Eindruck gewinnen, dass das Herbeiführen der aktuellen Situation von langer Hand geplant war. Begonnen hatte dies schon mit den niedrigen Gasspeicherfüllständen in Deutschland im vergangenen Jahr (wo noch einige der größten deutschen Speicher Gazprom gehörten – jetzt sind diese unter treuhänderischer Verwaltung des Bundes). Fortgesetzt hat sich das mit dem Aufmarsch der russischen Armee an der ukrainischen Grenze und den ständigen Drohungen Putins, kein russisches Gas mehr über Nordstream 1 liefern zu wollen.

Auf Basis dieser dramatisch angestiegenen Spotpreise können viele Industrieunternehmen nicht mehr wirtschaftlich produzieren und haben teilweise ihre Produktionen stillgelegt oder gedrosselt. Dies hat wiederum Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette, was sich in Engpässen bei vielen auch für die Zuckerindustrie wichtigen Hilfs- und Betriebsstoffen sowie Investitionsgütern und Reparaturmaterialien bemerkbar macht.

Die Preise für alternative Energieträger wie Öl und Kohle wurden ebenfalls von dieser Preisspirale erfasst und stiegen dramatisch an. An den Zapfsäulen in unserer Republik wurde uns dies deutlich vor Augen geführt. Die Bundesregierung hat aus diesem Grund schon mehrere Hilfspakete auf den Weg gebracht. Mit Beginn des Krieges startete die Bundesregierung auch ihre Gasbeschaffungsaktivitäten weltweit. LNG und Pipelinegas aus verschiedenen Regionen der Erde wurden eingekauft, um die ca. 1.000 TWh Gasverbrauch pro Jahr in Deutschland zu decken. Gleichzeitig kümmerte man sich in nicht gekannter Geschwindigkeit darum, dass Terminals für das zu liefernde LNG installiert werden.

Notfallplan Gas

Ungeachtet dessen hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) am 30.03.2022 die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen, nachdem absehbar war, dass die Gasmengen aus Russland nicht mehr verlässlich zur Verfügung stehen und Deutschland mit ca. 55 % eine sehr große Abhängigkeit von russischem Gas hatte. Dieser Notfallplan besteht aus drei Stufen (Frühwarnstufe, Alarmstufe, Notfallstufe). Sollte es zur Ausrufung der letzten Stufe kommen, dann greift der Staat in den Markt ein und das Gas wird zugeteilt.

Seit 21.06.2022 gilt die zweite Stufe, die Alarmstufe des Notfallplans. Diese wurde nach der Bekanntgabe der Mengenkürzung von Nordstream 1 auf 40 % ausgerufen. Dies bedeutet, dass eine Störung des Marktes vorliegt, aber noch keine hoheitlichen Maßnahmen ergriffen werden müssen. Eine weitere wichtige Maßnahme der Bundesregierung war in dieser Zeit der Erlass des Einspeicherungsgesetz, welches die Gasspeicherbetreiber dazu verpflichtet hat, bis zum 01.11.2022 einen Füllstand von 95 % zu erreichen. Gleichzeitig hat die EU im Juli ihren Mitgliedsstaaten ein Sparziel von mind. 15 % unter dem Motto „Save gas for a safe winter“ vorgegeben.

Alle diese Maßnahmen sollen dafür sorgen, dass es zu keiner Gasmangellage in diesem Winter kommt.

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Energieversorgung Südzucker

Gleich nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs wurde bei Südzucker ein „Krisenteam“ gebildet, welches sich um einen sicheren Verlauf der Rübenkampagne kümmert. In diesem Krisenteam wurden, neben der Suche nach alternativen Energieträgern für die einzelnen Fabriken, auch über viele wichtige, darüber hinaus gehende Themen gesprochen. Dies sind z.B. ein früherer Start der Kampagne, um eine mögliche Gasmangellage in den Wintermonaten zu umgehen oder die Sicherstellung der Kundenbelieferungen trotz knapper Zuckermengen auf dem Markt.

Die Auswirkungen der Trockenheit konnten am Anfang der Planungen noch gar nicht abgeschätzt werden. Sie machten die Situation aber nicht einfacher. Die in der Arbeitsgruppe gefundenen Lösungsansätze berücksichtigen die Anforderungen aller betroffenen Bereiche. Die Kampagne 2022/23 wird als außergewöhnlich in die Südzucker-Historie eingehen.

Bereits sehr früh diskutierte man hausintern bei Südzucker über die Möglichkeit einer Vereinbarung mit den anderen Zuckerunternehmen zur Übernahme von Rüben im Krisenfall. Daraus hat sich dann die kürzlich vom Kartellamt freigegebene Krisenkooperationsvereinbarung entwickelt.

Jeder Standort muss bei der Energieversorgung individuell betrachtet werden. Gas ist neben der Kohle der Hauptenergieträger in den süddeutschen Zuckerfabriken.

Nicht in allen Standorten ist ein problemloser Betrieb mit Wechsel der Energieträger möglich. Auch besteht nicht in allen Werken die Möglichkeit, auf das Gas komplett zu verzichten. Von den Südzucker-Verantwortlichen wurde alles getan, um in dem zur Verfügung stehenden Zeitfenster, die maximal mögliche Sicherheit für die Fabriken zu erreichen. Dabei wurde teilweise alte, bereits ausgemusterte Technik wieder hergerichtet, um z.B. Heizöl schwer einsetzen zu können. Dazu gehörte z.B. auch die Wiederinbetriebnahme der Bahnentladung zur Annahme von Schweröl-Kesselwagen per Bahn in Offenau und die Herrichtung von Lagermöglichkeiten für diesen Brennstoff.

Preisentwicklung Gas (€/MWh)

Vielfältige Herausforderungen

An anderen Standorten musste komplett neues Equipment beschafft werden, um die Kesselhäuser auf den Einsatz mit Heizöl leicht vorzubereiten. Im Zuge der Umsetzungsmaßnahmen musste sich das Team auch immer wieder mit Genehmigungsthemen beschäftigen, die den Umsetzungsprozess in Stocken brachten. Daneben stellte die Beschaffung der Energieträger den Einkauf vor nicht mehr gekannte Herausforderungen. Neben dem von politischer Seite gewollten Wegfall der russischen Kohle hatte man aufgrund der Trockenheit auch bei den Kohleanlieferungen per Schiff mit massiven Problemen wegen der geringen Pegelstände in den Flüssen zu kämpfen.

Natürlich mussten für die beschriebenen Maßnahmen Investitionen getätigt werden. Weitere zusätzliche Kosten, wie höhere Preise für Alternativenergieträger und die Gasumlage belasten das Unternehmen. Aber für die Verantwortlichen bei Südzucker lag der Fokus auf der Sicherstellung der Kampagne an allen Standorten. Trotz aller getroffenen Maßnahmen müssen wir uns vor Augen halten, dass nicht alle Risiken ausgeschlossen werden können und die Energieversorgung in der bevorstehenden Kampagne noch einige Herausforderung mit sich bringt. Auf diese müssen wir dann flexibel und in engem Zusammenspiel mit allen Beteiligten reagieren.