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Die moderene Biogasanlage in Strezlin (Polen). FOTO: Südzucker

Investitionen laufen an

Auf dem Weg zur klima­neu­tralen Zucker­fabrik

Nutzung von Pressschnitzeln als Energie der Zukunft

Philipp Schlüter, Südzucker AG, Division Zucker, Mitglied der Geschäftsführung

Von Philipp Schlüter Für Kundinnen und Kunden der Südzucker, aber auch Investorinnen und Investoren, hat das Thema Emissionen eine sehr hohe Priorität. Deshalb ist die Südzucker-Gruppe in diesem Jahr der Science Based Targets Initiative (SBTI) beigetreten, die Unternehmen einen Rahmen für wissenschaftlich fundierte, ambitionierte Klimaziele im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen bietet.

Emissionsreduktion

Die dabei vereinbarten Nachhaltigkeitsziele im Handlungsfeld Emissionen sind die

  • Reduktion der CO₂-Emissionen aus eigener Geschäftstätigkeit (Scope 1 & 2) um 50 % bis 2030
  • Reduktion der indirekten CO₂-Emissionen aus den Lieferketten (Scope 3) um 30 % bis 2030
  • Klimaneutralität bis 2050

VdZ Roadmap Studie zur Klimaneutralität

Schon im Jahr 2020 hatte der Verein der Zuckerindustrie eine Roadmap Studie zur Reduzierung fossiler CO₂-Emissionen in den deutschen Zuckerfabriken vorgelegt, um auch die dazu nötigen Investitions- und Betriebskosten abzuschätzen. Auf dieser Basis konnten die Forderungen zur Anpassung notwendiger Rahmenbedingungen an die Politik adressiert werden.

Mit dem Wegfall der EEG-Umlage ist ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zur Elektrifizierung erreicht worden, dennoch hat Deutschland immer noch die höchsten Strompreise in Europa.

In der Roadmap Studie wurden drei realistische Pfade zur Klimaneutralität aufgezeigt, deren Relevanz Südzucker für die einzelnen Standorte der Division Zucker bewertet hat:

Für einen erfolgreichen Übergang zur Klimaneutralität werden, neben der ersten Maßnahme Energieeinsparung durch Effizienzsteigerung in den Zuckerfabriken, alle drei Pfade kombiniert werden müssen. Am wenigsten Erfahrung besteht noch mit elektrisch betriebenen Wärmepumpen. Diese werden in den Dimensionen, wie Zuckerfabriken sie brauchen, gerade erst entwickelt, aber Südzucker ist bei den von der EU geförderten Pilotprojekten beteiligt.

Dagegen gibt es mit den beiden Pfaden Biomasse und Biogas jahrelange Erfahrung. Allerdings sind Kessel zur thermischen Verwertung speziell auf die jeweilige Biomasse auszulegen und eine einfache Umrüstung von Kohle auf Biomasse ist nicht möglich. Damit bietet sich für die Zuckerfabriken die energetische Nutzung des Rübenmarks über den Weg der Biogaserzeugung aus Pressschnitzeln an. Aktuell plant Südzucker die Erweiterung der vorhandenen Biogasanlage in Strzelin (Polen) sowie einen Neubau in Zeitz.

Aktueller und zukünftiger Rechtsrahmen

Der Betrieb von Biogasanlagen ist unter der aktuellen Rechtslage kein Problem, noch gibt es keine Energiesteuer auf Biogas. Ab Anfang nächsten Jahres ergibt sich aber ein erhöhter administrativer Aufwand, da bei Einsatz in Anlagen, die dem EU-Emissionshandel (ETS) unterliegen, die Nachhaltigkeit des Biogases im Sinne der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) nachzuweisen ist. Dazu ist eine durch externe Zertifizierer validierte Massenbilanz ausreichend, da noch keine Anforderungen an die Treibhausgas-Minderung bestehen und sich, sofern Pressschnitzel zum „Reststoff“ erklärt sind, hieraus keine weiteren Anforderungen an die Nachhaltigkeit des Rohstoffs Zuckerrübe ergeben.

Mit dem Änderungsvorschlag für die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) will die EU-Kommission die Klimaneutralität der EU vorantreiben. Mithilfe des europäischen Green Deal soll die EU bis 2050 klimaneutral werden. Dafür setzt die Union das Zwischenziel, die Nettotreibhausgasemissionen bis 2030 um 55 % gegenüber 1990 zu senken (Fit for 55 Paket). Dabei steht die EU-Kommission dem Ansatz der deutschen Zuckerindustrie, die bei der Zuckerherstellung anfallende Biomasse (= Pressschnitzel) teilweise zur Energieerzeugung zu nutzen, äußerst kritisch gegenüber. Bevorzugt solle diese Biomasse weiter als Futtermittel genutzt werden, um so andere zum Futtermittelanbau genutzte landwirtschaftliche Flächen freizugeben.

Sehr intensiv begleitet Südzucker diesen Prozess und versucht über CEFS, VdZ und BDI die notwendigen Anpassungen zu erreichen. Sofern sich die Änderungen, die nun über den Umweltausschuss des EU-Parlaments eingebracht wurden, im EP-Plenum und Trilog durchsetzen, ist weiterhin die Herstellung und Nutzung von Biogas für Südzucker rechtlich möglich.

Klimaneutralitätspfade in der Produktion Parallele Verfolgung von Elektrifizierung, Biogas, Biomasse

Noch völlig unklar ist, wo die Reise beim Energiesteuerrecht hingeht. Die EU-Kommission hat eine Besteuerung des Biogases vorgesehen und einen Steuersatz auf fast gleichem Niveau wie bei Erdgas festgelegt. Südzucker setzt sich für eine Ausnahme von der Besteuerung bei Eigenverwendung bzw. für eine Absenkung auf den Mindeststeuersatz ein (Privilegierte Brennstoff-Biomasse, Anhang IX, Teil C RED). Das Thema wird durch die Mitgliedsstaaten im EU-Rat entschieden und kommt dann in die nationale Umsetzung, wobei der Steuersatz final festgelegt wird.

Alternative Verwertung von Pressschnitzeln

Eine weitere Möglichkeit zur Wertschöpfung aus Pressschnitzeln ist die Verwendung in der Papier- und Verpackungsindustrie. Dabei können die Fasern der lokal angebauten Zuckerrüben einen Teil des benötigten frischen Holzzellstoffes nachhaltig ersetzen. Gerade der Verpackungsbereich ist ein wachsendes Segment im Papiermarkt, der ebenfalls vor vielfältigen Herausforderungen steht und entsprechend offen ist für alternative Lösungen aus nachwachsenden Rohstoffen. Neben einem reinen Volumenersatz von Zellstoff können durch den gezielten Einsatz von aufbereiteten Rübenschnitzel die technischen Qualitätseigenschaften der Papiere und Verpackungen verbessert werden. Rübenschnitzel werden dadurch zu einer nachhaltigen und funktionalen Ergänzung zu holzbasiertem Zellstoff in der Papierindustrie.

DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

Neben der etablierten Vermarktung von Pressschnitzeln als Futtermittel in Form melassierter Pellets ist die energetische Nutzung über Bio­gas­anlagen in Europa sehr verbreitet. Noch scheint die Verwertung als Futtermittel wirtschaftlich vorteilhaft zu sein, aber auch die Perspektiven als Zellstoffersatz bei der Papier­herstellung sind vielversprechend. Hier ist mittelfristig ein weiterer relevanter Absatzkanal zu erwarten.

Bei den augenblicklichen Gaspreisen könnte auch die energetische Nutzung der Pressschnitzel höchst interessant sein, aber die Kapazitäten bei Südzucker sind noch sehr beschränkt. Welche Relevanz der Gaspreis zukünftig besitzt, ist für die Überlegungen zum Aufbau weiterer Biogasanlagen nachrangig. Auf dem Weg zur Klimaneutralität der Zuckerproduktion steht die Notwendigkeit zur Reduktion der fossilen CO₂-Emissionen absolut im Vordergrund. Damit ist sicher, dass Pressschnitzel neben grünem Strom einen wesentlichen Beitrag zur Energieversorgung der Zuckerfabriken leisten werden und damit der Energieträger der Zukunft sind.