Leitartikel

Nach einem staubtrockenen Rodebeginn setzte ab Mitte September der langersehnte Regen ein... Foto: Schaaf

Kampagne 2022

Die Rübe in Zeiten des Krieges

Erträge regional unterschiedlich – Energieversorgung der Zuckerfabriken

Von Dr. Fred Zeller Seit dem 26. September 2022 läuft in allen Zuckerfabriken der Südzucker AG in Deutschland die Kampagne 2022/23. Begonnen hat die Rübenverarbeitung in Plattling, Rain, Wabern und Zeitz bereits um den 6. September. Ausschlaggebend für die heuer ungewöhnlich weit versetzten Starttermine der Fabriken waren die deutlichen Ertragsunterschiede in den einzelnen Fabrikeinzugsgebieten, spezielle Herausforderungen der Zucker- und Rübenlogistik sowie vor allem das Bemühen um eine weitgehend sichere Energieversorgung der Werke.

Kampagnebeginn erst trocken, dann nass

Aus rein landwirtschaftlicher Sicht wäre da und dort ein etwas späterer Kampagnebeginn vorzuziehen gewesen. Aber wie so oft beim Vertragsrübenanbau musste ein Kompromiss gefunden werden, der die Belange aller Beteiligten berücksichtigt.

Die Frühlieferprämie wird, davon kann man ausgehen, den entgangenen Ertrag und die Ernteverluste abdecken. Denn ihre Ausgestaltung im Rahmen des süddeutschen Rübenbezahlungssystems dürfte sich heuer in zweierlei Hinsicht vorteilhaft auswirken: zum einen wird die Prämie nachträglich erhöht, wenn der beobachtete Ertragszuwachs größer als in der Staffelung unterstellt war. Zum anderen sind die Tagessätze der süddeutschen Frühlieferprämie nicht in absoluten Beträgen, also in Euro pro Tonne, sondern in relativen Zuschlägen zum Rübenpreis definiert. Damit kommt automatisch das zu erwartende deutlich höhere Preisniveau der Zuckerrüben der Ernte 2022 auch in der Prämie zum Tragen. Darüberhinausgehend hat Südzucker zur Abmilderung der Effekte aus dem frühen Erntebeginn den frühliefernden Rübenanbauern zusätzlich eine gestaffelte „Rodeprämie“ zugesagt.

Energieversorgung der Fabriken

Durch den Krieg in der Ukraine sind die Energiekosten in der Landwirtschaft und in der Zuckerindustrie enorm angestiegen. Insbesondere der Preis für Erdgas – des in den Zuckerfabriken der EU am weitesten verbreiteten Energieträgers – hat sich seit dem Sommer 2021 verzehnfacht. Spekulativ bedingte Preisspitzen sind dabei noch gar nicht in Betracht gezogen.

Brennstoffalternativen gesucht

Das hat auch unmittelbare Auswirkungen auf die Herstellung von Stickstoffdünger, der sich im Preis nahezu verfünffacht hat und, was fast noch schwerer wiegt, nicht ausreichend verfügbar ist.

In den Zuckerfabriken sind praktisch alle langfristigen Investitionsprojekte zur weiteren Umstellung der Energiegrundlage von Kohle und Öl hin zu Erdgas einstweilen gestoppt worden. Vorsorgliche kurzfristige Umbaumaßnahmen, um alternative Brennstoffe wie leichtes Heizöl oder Schweröl einsetzen zu können, wurden je nach Möglichkeit in den Fabriken durchgeführt.

In einigen Werken müssen die Umbauten noch während der laufenden Kampagne finalisiert werden, weil notwendige Bauteile nur nach längeren Lieferzeiten zu bekommen sind. Das wird voraussichtlich zu temporären Leistungseinbußen führen. Es sollten sich aber die Kampagnen dadurch nur unwesentlich verlängern, was im Vergleich zu einem erzwungenen Verarbeitungsstopp wegen Energiemangels als das kleinere Übel erscheint.

Langfristige Herausforderungen

Über die diesjährige Kampagne hinaus stellt die neue geopolitische Lage die Beteiligten in der europäischen Zuckerwirtschaft vor große Herausforderungen. Dafür tragfähige Lösungen zu finden und sie umzusetzen, ist eine Herkulesaufgabe, die ohne Zögern angegangen werden muss.

Dr. Fred Zeller