Markt, Politk und Ökonomie

GAP-Reform 2023

„Operation misslungen, Patient frustriert“

Deutscher GAP-Strategieplan in Brüssel wiedereingereicht – Bis dato ein Machtkampf um „Verschlimmbesserungen“

Christian Gaebel, Deutscher Bauernverband e.V. Referat Gemeinsame Agrarpolitik

Aufwendige GLÖZ-Auflagen im EU-Recht, ergänzt durch geschärfte Umsetzung im deutschen GAP-Strategieplan

Von Christian Gaebel

Im Laufe des Sommers haben sich die Verhandlungen des Bundeslandwirtschaftsministeriums mit der EU-Kommission um den GAP-Strategieplan 2023-2027 zu einem wahren Machtkampf der Bürokratien entwickelt. Die EU-Kommission versuchte vor allem, die GLÖZ-Auflagen im Rahmen der Konditionalität möglichst detailliert festzuzurren. Dies kollidiert mit dem föderalen Ansatz aus Deutschland, dass die Bundesländer standortangepasste Auslegungen der GLÖZ-Kriterien anwenden können.

Mit dem Bauerntag in Lübeck vertrat der Berufsstand nachdrücklich die Forderung, dass für die Planungen der Betriebe bis spätestens Ende August sämtliche Förderdetails geklärt sein müssen. Stattdessen brachten Sonder-ACK und Sonder-AMK im Juli mehr Unsicherheit denn Gewissheit. In hartnäckigen Verhandlungen und immer wieder neuen Detailvorschlägen hat man bis weit in die Herbstbestellung der Landwirte hinein weitere Zeit verstreichen lassen.

Am 30. September hat Deutschland nun auf 1.736 Seiten einen überarbeiteten GAP-Strategieplan 2023-2027 zur Genehmigung bei der EU-Kommission eingereicht (online unter https://bit.ly/3M1AwPC). Nach den intensiven Abstimmungen mit Brüssel soll eine möglichst änderungsfreie Genehmigung im Spätherbst folgen. Unterdessen haben Dänemark, Irland, Spanien, Frankreich, Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal und Finnland bereits genehmigte Pläne vorliegen.

GAP-Fördersystem im kritischen Zustand, aber finanziell stabil

Bereits vor der Umsetzung der GAP-Reform ab 2023 ist deutlich, dass die EU-Förderpolitik unter schweren Mängeln leidet. Vom politischen Versprechen eines „neuen Liefermodells“ mit mehr Ergebnisorientierung und mehr Gestaltungsmöglichkeiten für die EU-Staaten und für die Landwirte ist nicht viel geblieben. Wichtigste positive Nachricht: Das Budget für die GAP-Förderung ist trotz Brexit relativ stabil geblieben.

Die „Grüne Architektur“ aus erweiterter Konditionalität für die Basisprämie, den Eco Schemes und den Agrarumweltmaßnahmen ist überkomplex und dysfunktional. Landwirte, Verwaltungen und Berater blicken kaum mehr durch. Das Zusammenführen aller Fördermaßnahmen in einem zentralisierten nationalen GAP-Strategieplan hat sich schon jetzt nicht bewährt.

In Deutschland kannibalisieren ab 2023 weite Teile der Eco Schemes bewährte Agrarumweltmaßnahmen der Länder. Die Basisprämie sinkt auf ca. 150 Euro/ha bei deutlich erhöhter Konditionalität. Die Attraktivität dieser Flächenzahlung für die Landwirte schwindet also. Die Grundidee der Eco Schemes als einjährige Agrarumweltmaßnahme bleibt aber positiv.

Überarbeiteter GAP-Strategieplan mit Licht und Schatten für die Landwirte

Wie sehen nun konkret die Änderungen am wiedereingereichten GAP-Strategieplan 2023-2027 aus? Folgende Absätze fassen auf Grundlage der bisherigen Planungen in der nationalen GAP-Konditionalitäten-Verordnung (online unter https://bit.ly/3M2rDVS) und GAP-Direktzahlungen-Verordnung (online unter https://bit.ly/3RAHwnJ) die wesentlichen Punkte beim Fruchtwechsel (GLÖZ 7), bei den nichtproduktiven Flächen und Landschaftselementen (GLÖZ 8), bei der Mindestbodenbedeckung (GLÖZ 6) und bei den freiwilligen, einjährigen Eco Schemes zusammen. In Deutschland wird es nun im Oktober/November noch Bundesratsverfahren zur Änderung der GAP-Direktzahlungen-Verordnung (v.a. Eco Schemes) und der GAP-Konditionalitäten-Verordnung (v.a. GLÖZ) geben.

Eco Schemes: Geplante Einheitsbeiträge als Mindestprämien, die sich nach deutschlandweiter Inanspruchnahme der Maßnahmen um 10 % bzw. im Startjahr 2023 um 30 % erhöhen können

Stilllegung in 2023 mit Anrechnung und ab 2024 „regulär“

In der Konditionalität müssen für den GLÖZ 8 (nichtproduktive Flächen und Landschaftselemente) trotz europäischer und nationaler Ausnahmenverordnungen beim GAP-Antrag im Jahr 2023 4 Prozent der Ackerfläche als Stilllegung codiert werden. Allerdings kann mit Einschränkungen unter bestimmten Voraussetzungen der Anbau von Getreide (ohne Mais), Sonnenblumen und Leguminosen (ohne Soja) angerechnet werden.

Ab 2024 gelten die GLÖZ-8-Auflagen dann voraussichtlich „regulär“. Bestimmte Landschaftselemente und Pufferstreifen können auf die 4 Prozent angerechnet werden. Grundsätzlich gilt eine ganzjährige Stilllegungspflicht mit Beginn nach der Ernte der Hauptfrucht im Vorjahr. Vor allem auf Drängen des Berufsstandes kommt neben der Selbstbegrünung nun doch die Möglichkeit zur aktiven Begrünung durch den Landwirt, dies allerdings eingeschränkt, in dem keine landwirtschaftliche Kultur in Reinsaat ausgesät werden darf. Aus landwirtschaftlicher Sicht kritisch: Statt ab 15. August sind Vorbereitung und Aussaat einer Nachfolgekultur oder Beweidung mit Schafen und Ziegen nun erst ab 1. September möglich. Werden Winterraps oder Wintergerste unmittelbar eingesät, ist dies weiterhin ab 15. August möglich.

Beim Fruchtwechsel kommt nun eine „Drittel-Umsetzung“

Außer im Falle von mehrjährigen Kulturen, Gras oder anderen Grünfutterpflanzen, Brachen sowie Ökolandbaubetrieben und bestimmter Anbaukonstellationen gilt EU-rechtlich ein Fruchtwechsel auf der Ackerparzelle mindestens einmal im Jahr. Für das GAP-Antragsjahr 2023 wurde die Fruchtwechselpflicht ausgesetzt, Weizen nach Weizen ist also möglich. Kniffelig wird es für die betriebliche Planung zum Fruchtwechsel trotzdem, denn: Ab 2024 sind die Vorgaben zum jährlichen Wechsel der Hauptkultur im Vergleich zum Jahr 2023 bzw. zum Wechsel der Hauptkultur spätestens im dritten Jahr im Vergleich zu den Jahren 2022 und 2023 zu beachten. Was Bund und Länder bei der Fruchtwechselausnahme für 2023 im Sinne der Landwirte nicht korrigieren wollten: Trotz der Aussetzung wird das Jahr 2023 mit Blick auf einen Wechsel spätestens im dritten Jahr fortgezählt. Wie sehen nun die geänderten Fruchtwechselvorgaben im überarbeiteten GAP-Strategieplan aus? Details liefert der oben stehender Kasten.

Eine „80/20-Regel“ bei der Mindestbodenbedeckung vom 15.11. bis 15.01.

Im GAP-Strategieplan wird betont, dass bereits auf weit über 60 Prozent der Ackerflächen eine Mindestbodenbedeckung durch Winterkulturen, Begrünungen und Zwischenfrüchte erreicht wird. Anstatt, wie bisher geplant, auf der kompletten Ackerfläche wird die GLÖZ-6-Pflicht zur Mindestbodenbedeckung zur Vermeidung vegetationsloser Böden künftig auf mindestens 80 Prozent der betrieblichen Ackerfläche vorgeschrieben. Dafür soll es nun grundsätzlich zunächst keine länderspezifischen Ausnahmemöglichkeiten mehr geben. Als Zeitraum für die Mindestbodenbedeckung gilt 15. November bis 15. Januar und damit zwei Wochen früher als bisher vorgesehen. Dennoch gibt es abweichende Zeiträume bzw. Regelungen für bestimmte Ackerflächen:

  • Für Ackerflächen mit frühen Sommerkulturen wie z.B. Sommergetreide (ohne Mais und Hirse), Leguminosen (ohne Soja), Sonnenblumen, Kartoffeln oder Gemüse mit Aussaat bis spätestens 31. März (bzw. bis 15. April in höheren Lagen) gilt der Mindestbodenbedeckungszeitraum vom 15. September bis 15. November.
  • Für Ackerflächen mit schweren Böden (äquivalent mind. 17 Prozent Tongehalt) gilt der Zeitraum für eine Mindestbodenbedeckung von der Ernte bis zum 1. Oktober.
  • Auf Ackerflächen mit vorgeformten Dämmen (z.B. Kartoffeln im Folgejahr) muss zwischen den Dämmen vom 15. November bis 15. Januar eine Begrünung zugelassen werden (neue Auflage).
  • Bei sämtlichen Obstbaumkulturen und Weinbauflächen darf eine vorhandene Begrünung zwischen den Reihen vom 15. November bis 15. Januar nicht beseitigt werden.

Blühstreifen und Brachflächen werden stark gefördert. Ist das die Zukunft der EU-Agrarpolitik? FOTO: dzz

Licht und Schatten auch bei den Eco Schemes

Insgesamt haben sich EU, Bund und Länder bei den freiwilligen, einjährigen Eco Schemes nur zu wenigen, wirklich nennenswerten Verbesserungen durchringen können. In puncto wirtschaftlicher Attraktivität der Prämien, hinreichendem Maßnahmenangebot auch für Futterbau-, Ökolandbau- und Sonderkulturbetriebe, unbürokratischer Kombinierbarkeit mit 2. Säule-Maßnahmen sowie kalkulierbarer Zuverlässigkeit des deutschen Eco-Scheme-Konzepts für die Betriebe besteht weiter Optimierungsbedarf. Dennoch lässt der überarbeitete GAP-Strategieplan Lichtblicke erkennen, aber auch schärfere Vorgaben bei einzelnen Maßnahmen.

Im Startjahr 2023 können sich die als Mindestprämien veranschlagten geplanten Einheitsbeträge je nach deutschlandweiter Inanspruchnahme der Maßnahme noch um 30 Prozent erhöhen (in den Folgejahren um 10 Prozent). Statt der im Dezember 2021 im Bundesrat geforderten Erhöhung auf 60 Euro/ha liegt die Prämie für „Vielfältige Kulturen im Ackerbau“ nun bei 45 Euro/ha. Dafür fällt das jährliche Budget für „Landbewirtschaftung in Natura-2000-Gebieten“ um 25 Prozent auf 52,5 Mio. Euro. Aktuell noch nicht unmittelbar Gegenstand im Entwurf des überarbeiteten GAP-Strategieplans, jedoch perspektivisch ab 2024 relevant, ist eine vorläufige Einigung mit der EU-Kommission, wonach künftig die Auszahlung der Ökolandbauprämie auch auf Brachflächen möglich und diese auch mit den Eco-Scheme-Maßnahmen „Freiwilliger Zusatzbrachen (über GLÖZ 8 hinaus)“ sowie „Blühflächen/-streifen“ kombinierbar sein soll.

Analog zur späteren Wiederaufnahme der Erzeugung bei GLÖZ-8-Stilllegungen ist diese nun auch bei „Freiwilligen Zusatzbrachen (über GLÖZ 8 hinaus)“ im Zuge der Eco Schemes erst ab 1. September möglich (bei Winterraps und Wintergerste ab 15. August). Zur aktiven Begrünung ist auch hier eine Kultur in Reinsaat nicht erlaubt. Bemerkenswert: Ähnlich wie bereits bei der sog. GAP-Ausnahmen-Verordnung für das Jahr 2023 weicht Deutschland auch bei den Eco Schemes vom Prinzip der Einjährigkeit in der 1. Säule ab, indem nach „Blühflächen/-streifen“ ab 1. September nur dann eine Wiederaufnahme der Erzeugung stattfinden darf, wenn betreffende Flächen bereits im Vorjahr als solche Flächen beantragt wurden.

Bei der Maßnahme „Extensivierung des gesamten Dauergrünlands des Betriebs“ kommt nun ein pauschales Pflugverbot für die Dauergrünlandflächen im Betrieb hinzu.

GLÖZ 7: Neue Systematik beim Fruchtwechsel im GAP-Strategieplan

  • Betreffende Fläche: Ackerfläche eines Betriebes abzüglich ausgenommener Flächen für den Anbau von Mais zur Herstellung von anerkanntem Saatgut, von Tabak und von Roggen.
  • „33 Prozent plus 33 Prozent“: Auf mind. 66 Prozent der Ackerfläche Fruchtwechsel durch Wechsel der Hauptkultur zum Vorjahr, davon max. 33 Prozent Anrechnung durch Zwischenfrüchte oder Untersaaten.
  • Übrige Ackerflächen: Fruchtwechsel durch Wechsel der Hauptkultur spätestens im dritten Jahr.
  • Vorgaben für Zwischenfrüchte: Aussaat vor dem 15. Oktober; Aufwuchs bis 15. Februar auf der Fläche; Spätestens im dritten Jahr muss Wechsel der Hauptkultur erfolgen.
  • Im Gemüsebau Fruchtwechsel auch durch Zweitkultur: Beetweiser Anbau verschiedener Kulturen mit Sammelcodes erfüllt Fruchtwechselvorgaben.
  • Trotz Kritik der EU-Kommission gelten Sommer- und Winterkultur einer Art (z.B. Sommer- und Wintergerste) wie bisher beim Greening als zwei verschiedene Kulturen.