Anbau

Einwanderung von Weidelgras in Rüben. FOTOS (2): Bickhardt

Vorbeugend, mechanisch und chemisch

Mit allen Mitteln bekämpfen!

Resistentes Weidelgras am Beispiel in der Ackerbauregion des hessischen Odenwaldes

Thomas Bickhardt Fachberatung Pflanzenbau beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, Standort in Griesheim

Von Thomas Bickhardt Der Druck von Ungräsern im Ackerbau wird immer stärker. Vermehrt treten resistente Ackerfuchschwanz-, Windhalm-, Trespen- und Weidelgraspflanzen auf. Die Ursachen sind vielfältig. Besonders schwierig zeigt sich die Bekämpfung des resistenten Weidelgrases. Dieses meist Welsches Weidelgras (Lolium muliflorum) ist winteranuell, läuft jedoch auch im Frühjahr auf. Es wird bis 100 cm hoch, ist sehr schnellwüchsig und bestockungsfreudig, darauf beruht auch seine starke Konkurrenzkraft. Dieses Gras hat sich seit einiger Zeit in Südhessen immer mehr verbreitet und wird zunehmend zu einem Problem, besonders in der Ackerbauregion des hessischen Odenwaldes. Den Praktikern ist aufgefallen, dass nach dem Einsatz von Kontaktherbiziden mit guter Weidelgraswirkung (HRAC Klasse 1 + 2), dieses Gras kaum Reaktion gezeigt hat. Zuerst trat das Schadgras in einer Gemarkung im Getreide auf. Es hat sich im Laufe der Jahre immer weiter verbreitet und betrifft alle Ackerbaukulturen in dieser Region. Untersuchungen des Regierungspräsidiums Gießen, Pflanzenschutzdienst Hessens, Dr. Dicke, Hochschule Bingens, Prof. Petersen und AGRIS 42, haben die Resistenz bei ACCase-Hemmern und ALS-Hemmern nachgewiesen. In Zuckerrüben sind meist die Frühjahrsaufläufer dieses Weidelgrases die große Konkurrenz. Es gibt mehrere Pflanzenschutzmittel-Zulassungen zur Ungrasbekämpfung aus der Gruppe der ACCase-Hemmer (HRAC 1) (z.B. Fussilade Max®, Agil-S®, Gramfix®, u.a.), diese zeigen jedoch bei nachgewiesener Resistenz nur noch geringe bis keine Wirkung.

Vorbeugende Maßnahmen

Da die Ungraswirkung von zugelassenen Gräsererbiziden in Zuckerrüben gegen resistentes Weidelgras eher unbedeutend ist, spielen vorbeugende Maßnahmen die größte Rolle. Es gilt, das Ungras sich erst gar nicht auf der Fläche ausbreiten zu lassen.

Bei Einsatz von Arbeitsgeräten (Grubber, Scheibenegge, Pflug, Sämschine, u.ä.) und Erntemaschinen (Mähdrescher, Rübenroder, Verlademaus u.a.), welche von mit Weidelgras belasteten Flächen kommen, ist besonders darauf zu achten, das keine Erdanhaftungen und Erntereste auf andere Flächen verschleppt werden. Daher müssen diese gut gereinigt werden, um das weitere Verbreiten zu vermeiden. In der Praxis ist zu beobachten, dass der Beginn mit Weidelgras, auf einer vorher unbelasteten Fläche oft z.B. auf die erste Mähdrescherspur oder auf die erste Einsatzspur des Rübenroders zurückzuführen ist. Mähdrescher können wie Sämschinen für Weidelgras fungieren. In der folgenden Kultur ist diese Spur dann deutlich zu sehen, dort wachsen dann die ersten resistenten Weidelgräser. Dies ist der Anfang davon, dass sich die ganze Fläche mit Weidelgras verseuchen kann.

Es ist äußerst wichtig, kein Aussamen des Weidelgrases zuzulassen. Sind nur kleine Bereiche betroffen, können diese z.B. per Hand entfernt werden. Bei starkem Besatz im Getreide kann die Nutzung des Aufwuchses als Graspflanzensilage sinnvoll sei. Handelt es sich nur um „kleine Nester“, ist es empfehlenswert, sie vor der Samenreife durch Mulchen zu entfernen.

Nach der Getreideernte ist möglichst eine flache Bodenbearbeitung (oder Strohstriegel) durchzuführen, um Samen zum Auflaufen zu bringen. Gegebenenfalls ist dies zu wiederholen, dadurch wird das Samenpotenzial weiter reduziert.

DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

Die mechanische Bekämpfung nach der Ernte und vor der Aussaat reduziert das Gräserpotenzial. In stehenden Kulturen ist das Einsatzfenster für mechanische Grasbekämpfung eng, die chemischen Bekämpfungsmöglichkeiten von Weidelgras sind begrenzt. Nur in Mais und Winterraps bieten Herbizide noch eine Chance.

Der Einsatz von Gräserherbiziden (Dim-Produkte) in Rüben und anderen Hackfrüchten zeigt im frühen Stadium (1-2 Blatt des Weidelgrases) oft nur unzureichende Bekämpfungserfolge. In Getreide können Bodenherbizde bis zum frühen NA gute bis befriedigende Wirkungen bringen. Die Zurückdrängung von Weidelgras kann langfristig nur über die Fruchtfolge und vorbeugende ackerbauliche Maßnahmen erzielt werden.

Vor einer Aussaat darf kein Weidelgras vorhanden sein, dies muß durch mechanische/chemische Maßnahmen entfernt werden. Bereits entwickelte Pflanzen sind nach der Aussaat der Kulturpflanzen kaum noch zu bekämpfen. Es ist deshalb wichtig, im Herbst nicht zu früh auszusäen, um das bereits aufgelaufene Gras vorher mechanisch durch die Bodenbearbeitung bekämpfen zu können. Ein weiterer Effekt der späteren Aussaat besteht darin, dass später weniger Weidelgras aufläuft. Sinnvoll kann auch der Einsatz des Pfluges sein.

Die Erweiterung der Fruchtfolge ist ein weiterer Baustein, um das Weidelgras zurückzudrängen. Getreidereiche Winterungsfruchtfolgen sollten durch Sommerungen und Hackfrüchte erweitert werden. Besonders dem Mais kommt eine wichtige Rolle zu, einmal durch die spätere Aussaat und über das Herbizid MaisTer® Power. Dieses Pflanzenschutzmittel zeigt momentan noch gute Bekämpfungserfolge im Nachauflauf.

Gibt es Nutzungsmöglichkeiten für Ackerfutter, können auch „verseuchte“ Flächen für 2-3 Jahre mit z.B. Kleegras eingesät werden und als Futter genutzt werden. Dabei ist zu beachten, dass keine Samenreife erfolgen darf. Über diese Maßnahme wird das Weidelgras „ausgehungert“.

Mechanische Bekämpfungsmöglichkeiten

In Zuckerrüben und anderen Reihenkulturen kann die Hackmaschine im frühen Stadium des Weidelgrases gute Erfolge erzielen, schwierig bleibt jedoch das Gras in der Reihe. In Getreide eignet sich der Einsatz von Striegelgeräten, wobei die Größe des Weidelgrases für den Bekämpfungserfolg eine wichtige Rolle spielt, bereits bestocktes und gut bewurzeltes Gras lässt sich kaum noch herausziehen.

Chemische Bekämpfungsmöglichkeiten

  • Zuckerrüben/Hackfrüchte/ Leguminosen Die Bekämpfungsmöglichkeiten in diesen Kulturen sind sehr stark eingeschränkt. Bei den Gräserherbiziden zeigen nur die DIM-Produkte mit der Queckenindikation (Focus Activ Pack® und Select 240+Radiamix®) im Keim- bis max. Zwei-Blattstadium eine ausreichende Wirkung auf das Weidelgras. Besonders die Zuckerrübe, mit ihrer schwachen Konkurrenzkraft im Jugendstadium, hat kaum Chancen, das Weidelgras zu unterdrücken. Eine höhere Wasseraufwandmege (250-300 l/ha), wüchsiges Wetter und hohe Luftfeuchtigkeit (>60 % rel. Luftfeuchte) führen zu einer besseren Benetzung und Wirkstoffaufahme bei den Gräsern und erhöhen die Wirkung! Bei der Anwendung von diesen Gräserherbiziden in Rüben ist darauf zu achten, diese als „Soloanwendung“ durchzuführen. Mischungen mit anderen Rübenherbizden verschlechtern die Wirkungsgrade.
  • Getreide Bei der Herbstaussaat Bodenherbizide im VA und frühen NA (Keimblatt Weidelgras) einsetzen. Folgende Kombinationen aus den Wirkstoffen Flufenacet, Diflufenikan, Pendimathalin, Aclinofen, Chlortuloron, Procsulfocarb zeigen bei oprimalen Einsatzbedingungen gute bis befriedigende Wirkungsgrade. Im Frühjahr ist im Wintergetreide kaum mehr eine Bekämpfung möglich, die HRAC Gruppe 1 +2 zeigen nur unbefriedigende Wirkungen.
  • Winterraps In der Vegetationsruhe hat sich der Einsatz von Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Propyzamid (Kerb flo, Groove, Milestone u.a.) sehr gut bewährt. Über den Einsatz von Focus Activ Pack® und Select 240+Radiamix® kann im Herbst bei im Keimblattstadium befindlichen Weidelgras ein Teilerfolg erzielt werden.
  • Mais Im Mais zeigt nur das Mittel MaisTerPower® bzw. MaisTer Power Aspect Pack® momentan noch gute Wirkungen. Im MaisTerPower® ist der Wirkstoff Foramsulfuron®, der die Hauptlast trägt. Bei zu häufigen Einsatz ist es eine Frage der Zeit, dass es auch hier zu einem Resistenzdurchbruch kommt.

Weidelgras überwuchert Weizen.