Markt, Politik und Ökonomie

Die Düngerpreise sind im Zuge des Krieges in der Ukraine und der angespannten Situation rund um Corona und Transport­kapazitäten stark angestiegen. Das belastet die Kosten auf den Betrieben erheblich. FOTOS (2): dzz

Zunehmende Regulierung durch neue GAP

Aufreger Dünge­ver­ordnung

Zuckerrübenanbau in Roten Gebieten

Marie-Christin Hofmann, Verband der Wetterauer Zuckerrübenanbauer, Friedrichsdorf

Von Marie-Christin Hofmann Mit der Überarbeitung der Düngeverordnung in 2017 kam der Begriff der „Roten Gebiete“ das erste Mal auf. Seither ist diese Gebietsausweisung zwar umgesetzt, jedoch dauernd kritisiert, mehrfach diskutiert und bereits überarbeitet worden. Die Fachlichkeit ist hier für viele Landwirte und Vertreter der Landwirtschaft nur noch schwer nachvollziehbar, nicht zuletzt, weil jedes Bundesland teilweise nach eigenem Ermessen umsetzte. Die erste Ausweisung erforderte, dass eine Belastung durch zu hohe Stickstoffgehalte im Grundwasser vorlag. Großflächig wurden hier Gebiete ausgewiesen und Flächen, auf denen keine direkte Belastung nachgewiesen werden konnte, unterlagen strengerer Bewirtschaftungsauflagen. Zu Beginn des Jahres 2021 trat dann die überarbeitete Gebietsausweisung in Kraft, schlagbezogen und unter Regelungen einer Ausführungsverordnung für alle Bundesländer gleich – so dachte man zumindest. Betrachtet man den Anteil der Gebietsausweisung in den Bundesländern, ergeben sich erhebliche Differenzen, was das die tatsächliche Reduzierung durch die schlagbezogene Ausweisung betrifft: Während sich in Hessen der Anteil der Roten Gebiete von 21 % auf 12 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche reduziert hat, sind in Schleswig-Holstein nur noch gut ein Viertel der zuvor ausgewiesenen Gebiete übrig. Am wenigsten hat die Reduzierung in Niedersachsen bewirkt, dort sind noch immer mehr als 30 % der landwirtschaftlichen Fläche betroffen.

Verpflichtungen im Rübenanbau

Mit der erneuten Verschärfung der Maßnahmen 2020 müssen Landwirte nun in der Fruchtfolge genauer hinschauen. Zwar ergeben sich besonders für die organische Düngung Begrenzungen und eine Ausweitung der Verbotszeiträume erfolgte, aber auch die schlagbezogene Düngung wurde verschärft. Wo treffen die Maßnahmen den Rübenanbau?

  • Verringerung des Düngebedarfs um 20 % im Durchschnitt der Fläche im Roten Gebiet: Eine bundeslandübergreifende Maßnahme betrifft die Reduzierung des Düngebedarfs um 20 % zusammengenommen für alle Flächen des Betriebs, die im Roten Gebiet liegen. Damit gilt für viele Landwirte ein kontinuierlicher Ertragsverlust als sicher. Zur Erstellung der Düngebedarfsermittlung wird anhand des betriebsspezifischen Ertragsniveaus (Ertragsniveau im Ø der letzten 5 Jahre) und unter Berücksichtigung der Abschläge über Nmin, der Anrechnung von 10 % organischer Düngung des Vorjahres, der Anrechnung des verfügbaren Stickstoffs von Winterraps oder Wintergerste des Vorjahres, der Nachlieferung aus dem Boden sowie der Nachlieferung der Vor- und Zwischenfrüchte der Bedarf der Kulturen ermittelt. Für die Zuckerrübe liegt der Bedarfswert laut der geltenden Düngeverordnung bei einem Ertragsniveau von 65 t/ha bei 170 kg N/ha. Angepasst werden darf dieser Bedarf bei einem Zu- oder Abschlag des Ertragsniveaus. Je 100 dt/ha Mehrertrag darf ein Zuschlag von 10 kg N/ha aufgerechnet, bei einem geringeren Ertrag von 15 kg N/ha abgezogen werden. Somit wäre bei einem Ertragsniveau von 75 t/ha bereits ein Bedarf in Höhe von 180 kg/ha gegeben. Rechnet man alleine bei der Zuckerrübe die Reduzierung von 20 % an, so wäre der Düngebedarf noch immer bei 144 kg N/ha. Mit einem Ertragsverlust ist auf diesem möglichen Düngeniveau noch nicht zu rechnen, denn nur bis zu einem gewissen Grad kann durch die Stickstoffdüngung eine Ertragssteigerung einhergehen. Darüber hinaus können sich negative Auswirkungen auf den Zuckergehalt und ein Anstieg unerwünschter alpha-Amino-N Verbindungen ergeben.

  • Verpflichtender Zwischenfruchtanbau im Herbst vor Sommerungen bei geplanter Düngung: Bedeutender für den Zuckerrübenanbau ist die verpflichtende Aussaat von Zwischenfrüchten im Herbst vor Sommerungen. Mit einem Umbruchverbot vor dem 15. Januar des Folgejahres wird das Zeitfenster der Bodenbearbeitung erheblich eingeschränkt, die Schwierigkeit der Saatbettbereitung deutlich erhöht. Zwar ist es nicht auf allen Standorten problematisch, doch auf schweren Böden und in Frühsaatgebieten kann diese Vorgabe im Falle ungünstiger Witterungsbedingungen eher negative statt der gewünschten positiven Auswirkungen haben. Das Ziel hinter dieser Maßnahme ist es, die Auswaschung von Stickstoff über Winter durch eine verpflichtende Bodenbedeckung zu vermeiden. Auch die möglichen Ausnahmen, die Länder erlassen konnten, treffen nicht für alle Anbaugebiete zu. Trockengebiete mit weniger als 550 mm Niederschlag im langjährigen Durchschnitt können von dieser Verpflich­tung befreit werden. Aber auch eine spät räumende Vorkultur auf der betroffenen Fläche, die erst nach dem 01.10. zur Ernte kommt, befreit die Landwirte. Ein spät geernteter Körnermais, wie es im vergangenen Anbaujahr vorkam, würde damit einen Zwischen­frucht­anbau umgehen. Treffen die Ausnahmen nicht zu, kann es im Frühjahr auf schweren Böden bei nassen Bedingungen nahezu unmöglich werden, eine optimale Bodenbearbeitung durchzuführen. Die Folgen sind dann verdichtete Böden und Strukturschäden. In Frühsaatgebieten kann es bei fehlendem Abfrieren der Zwischenfrüchte schwierig werden die vorhandene Biomasse einzuarbeiten. Besonders Minimalbodenbearbeitung oder Direktsaat werden durch diese Vorgabe erheblich eingeschränkt. Die aus den Länderverordnungen zusätzlich geltenden Maßnahmen sind nicht berücksichtigt, da sich hier Unterschiede ergeben. Dennoch können diese ebenfalls Einfluss auf den Zuckerrübenanbau haben.

DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE

Mit den bisher geltenden Auflagen gehört die Zuckerrübe zu den Kulturen, bei welcher die Anforderungen der Düngeverordnung in den Roten Gebieten vermehrt nicht auf Ertrags­einbußen schließen lassen. Trotz einer Reduzierung des Düngebedarfs sollte das Ertragsniveau gehalten werden können, wenn es die Standortgegebenheiten und die Witterung zulassen. Die Zuckerrübe könnte so je nach Betriebstyp in Roten Gebieten für die Fruchtfolge eine Alternative darstellen, durch die eine Umsetzung der verschärften Maßnahmen möglich wäre. Die Umsetzung der Düngeverordnung bleibt jedoch nicht die einzige Herausforderung, denn Pflanzen­schutz­mittelreduktion, Farm to Fork und die kommende GAP-Reform werden ebenfalls Hindernisse für den Anbau von Zuckerrüben zur Folge haben.

Vorteile nutzen und Nachteile ausgleichen

Mit einem eher niedrigen Bedarfswert der Stickstoffdüngung kann der Zuckerrübenanbau in Roten Gebieten für die Fruchtfolge einen positiven Effekt bringen. Zum einen, da anhand gegebener Bedarfswerte eine Reduzierung nicht direkt zu einem Ertragsverlust führt, zum anderen da aufgrund der langen Vegetationszeit die Zuckerrübe Stickstoff aufnehmen kann, der erst zu einem späteren Zeitpunkt verfügbar wird. Damit ist auch eine organische Düngung in Zuckerrüben gut umsetzbar, was besonders in Fruchtfolgen von vieh­halten­den Betrieben in Roten Gebieten entscheidend sein kann. Daneben kann durch die Reduzierung im Durchschnitt der Flächen im Roten Gebiet der Bedarf unter den Kulturen optimiert werden. Ist eine Reduzierung bei der Zuckerrübe über 20 % möglich, kann die beispielsweise bei Weizen zu einer geringeren Reduzierung beitragen. Kulturen die durch Ertragsverluste empfindlicher auf eine Stickstoffreduzierung reagieren, können in der Fruchtfolge profitieren. Der Standort und damit die mögliche Nachlieferung aus dem Boden ist dennoch ein wichtiger Faktor. Bei ungünstiger Witterung auf schwachen Böden kann es bei fehlender Nachlieferung von Stickstoff für die Pflanze während der Vegetation zusammen mit der Bedarfsreduzierung zu einem Ertragsverlust kommen. Im Vergleich zu einer umsetzbaren Reduzierung des Düngebedarfs birgt der verpflichtende Zwischenfruchtanbau vermehrt Schwierigkeiten. Bleibt das Abfrieren der Bestände durch milde Winter aus, ist eine intensivere Bodenbearbeitung notwendig. Damit zusammenhängend waren zum Anbaujahr 2022 regional auf eingesäten Rübenschlägen nicht abgefrorene Zwischenfrüchte wie Ölrettich wieder ausgetrieben und können für eine zusätzliche Verunkrautung der Bestände sorgen. Die Terminverschiebung zur Pflugarbeit von Herbst ins Frühjahr wird vielerorts, besonders auf schweren Böden kaum möglich sein oder zu erheblichen Strukturschäden führen. Mit Blick auf den Kraftstoffverbrauch bedeutet eine intensivere Bodenbearbeitung zusätzliche Kosten. Positiv zu bewerten ist der Zwischenfruchtanbau mit Blick auf reduzierte Auswaschungsgefährdung von Stickstoff über Winter. Zwischenfrüchte können in dieser sensiblen Zeit Stickstoff aufnehmen und speichern, welcher mit Einarbeitung im Frühjahr der Folgekultur zur Verfügung steht. Da nach den Vorgaben der Düngeverordnung Zwischenfrüchte in Roten Gebieten nicht gedüngt werden dürfen, kann es für die Folgekultur Zuckerrübe von Vorteil sein, Leguminosen in einer Mischung zu etablieren.

Düngung ertragsorientiert planen, das ist nicht nur aufgrund der strengeren Regelungen und Einschränkungen, sondern auch aufgrund der aktuellen Marktlage von besonderer Bedeutung.  

… und eine erneute Änderung der Gebietsausweisung steht an!

Seit Beginn des Jahres 2022 läuft zwischen Bund, Ländern und EU-Kommission die Diskussion um eine erneute Überarbeitung der Gebietsausweisung von Roten und Gelben Gebieten. Die EU-Kommission äußerte Kritik an der Modellierung zur Ausweisung der Roten Gebiete. Bereits im Juni hat die Bundesregierung eine überarbeitete Ausführungsverordnung mit einer Stellungnahmefrist von einem ganzen Tag zur Verbändeanhörung vorgelegt. In diesem überarbeiteten Verordnungstext wird die Methode zur Ausweisung der Roten Gebiete geändert, der Faktor Emission und die Bewirtschaftung spielen damit keine Rolle mehr. Eine schlagbezogene Ausweisung wird daher wahrscheinlich wieder entfallen. Auch den Messstellen kommt zukünftig eine höhere Bedeutung zu, sie sind die Grundlage zur Ausweisung eines Roten Gebiets. Bei einer nur sehr geringen Messstellendichte wie es in Hessen der Fall ist, kann dies zu einer großräumigen Ausweisung führen. Voraussetzung wäre zunächst in allen Bundesländern, ein repräsentatives Messstellennetz zu etablieren um eine nachvollziehbare Gebietsabgrenzung durchführen zu können. Somit wird die veränderte Ausweisung in vielen Regionen zu Lasten der landwirtschaftlichen Betriebe gehen, Verursachergerechtigkeit Fehlanzeige. Zurecht befürchten Landwirte nun aufgrund der Auflagen Ertragsverluste, da eine drohende Gebietsausweitung pauschal Betriebe betrifft, deren Wirtschaftsweise dann keine Berücksichtigung mehr findet. Die erneute Anpassung der Gebietskulisse macht die Unsicherheit für deutsche Landwirte umso mehr deutlich. Weiter fordert der Berufstand und seine Vertreter die freiwilligen Kooperationen von Landwirtschaft und Wasserwirtschaft zu honorieren, was jedoch auch in dieser Diskussion keinerlei Beachtung fand.