Anbau

Gemeinsam gegen SBR

Die Zikade im Fadenkreuz

Wie sind die neuen Forschungsprojekte BETA-CLIMATE und SONAR angelaufen?

Bild: GettyImages

Von Dr. Larissa Kamp, Verband baden-württembergischer Zuckerrübenanbauer, Heilbronn und Dr. Christian Lang, Verband der Hessisch-Pfälzischen Zuckerrübenanbauer, Worms Praxisnahe Forschung wird im Südwesten großgeschrieben. Die Landesverbände Hessen-Pfalz und Baden-Württemberg erforschen in den Projekten SONAR und BETA-CLIMATE aktuelle Themen im Rübenanbau. Immer im Fokus ist hierbei auch die Schilf-Glasflügelzikade. Beide Projekte befassen sich im Kern damit, wie man den Rübenanbau vor der Krankheit SBR schützen kann – mittels Sortenwahl oder Einsatz von biologischen Mitteln. Hierbei sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt.

BETA-CLIMATE startet

Von erster Forschungsidee über Konzeptausarbeitung, Austausch mit potenziellen Partnern und finaler Bewilligung ist über ein Jahr vergangen. Der Startschuss für das Projekt BETA-CLIMATE ist dann im April 2022 gefallen. Seitdem arbeitet ein Netzwerk aus landwirtschaftlichen Betrieben, Marktpartnern und Forschungseinrichtungen akribisch an der Rettung des Rübenanbaues.

Grundsätzlich hat das Projekt zwei Themenschwerpunkte: Bekämpfung der Schilf-Glasflügelzikade und das Thema Bodenbearbeitung im weiteren Sinne. Die Bekämpfung der Schilf-Glasflügelzikade ist zentraler Bestandteil und hat oberste Priorität, um den Rübenanbau im Südwesten zu erhalten. Rund um das Thema Bodenbearbeitung und technische Optimierung von Hackverfahren in der Rübe ist die Firma K.U.L.T. aktiv. Hierbei wird der Anbau von Zwischenfrüchten aus zweierlei Gesichtspunkten betrachtet: Zum einen die Unterdrückung der Populationsentwicklung der Schilf-Glasflügelzikade und zum anderen die Nutzung der positiven Effekte durch die Bodenbedeckung wie Erosionsschutz, erhöhte Wasserinfiltration, verringerter Herbizideinsatz und Erhöhung der Biodiversität. Im Zeitraum von April 2022 bis Ende 2024 werden im Freiland, im Gewächshaus und unter Laborbedingungen unterschiedliche Versuche und Mittel durchgeführt und getestet.

In diesem Jahr startete das Projekt mit einer Reihe von Freilandversuchen unter Praxisbedingungen. Hierbei wurden unterschiedliche Benetzungsmittel und Pflanzenstärkungsmittel ausgebracht, um die Wirkung auf die Zikade zu überprüfen. Insbesondere soll die Wirkung auf den Zuflug und eine mögliche Infektion bonitiert werden. Einige der geprüften Mittel sollen eine abschreckende Wirkung haben und somit die Infektion mit den SBR auslösenden Bakterien verhindern oder zumindest verzögern, sodass eine starke Schädigung der Rüben ausbleibt.

Der Ausbringungszeitpunkt wurde hier von zwei Faktoren abhängig gemacht. Dies ist zum einen der reale Zikaden-Flug und zum anderen werden erstmals Ergebnisse aus dem Prognosemodell, welches aus den Daten des NIKIZ-Projektes hervorgeht, herangezogen für die Bekämpfung. Der Flug der Zikaden am Standort wurde durch Bonituren direkt überprüft und gibt somit eine sichere Kenntnis über den Start der ersten Flugperiode. Diese Bonituren wurden direkt auf den entsprechenden Praxisschlägen durchgeführt. Ergänzend hierzu werden erste Ergebnisse aus den bereits laufenden Projekten herangezogen. Dass die wärmeliebende Zikade in ihrer Entwicklung abhängig von der Temperatursumme ist, scheint einleuchtend. Daher wurden die Ausbringungszeitpunkte der Versuchsmittel an die Temperatursumme der Standorte angepasst. Somit sind die Zeitpunkte für die Betriebe individuell, aber immer bei einer fast identischen Temperatursumme. Dadurch soll der optimale Zeitpunkt für die Ausbringung festgesetzt werden. Neben der Auswahl des richtigen Mittels ist eben auch der Zeitpunkt der Ausbringung entscheidend. Wann die Zikade fliegt und wann es gilt, diese fernzuhalten, ist wichtig zu wissen, um die Zuckerrübe optimal schützen zu können.

Mulchsaat als Herausforderung

Neben der Bekämpfung der Zikade wurden auch die Themen Mulchsaat, Bearbeitung von Zwischen- bzw. Vorfrüchten und angepasste technische Bearbeitung bereits auf einer kleinen Versuchsfläche im Freiland von der Firma K.U.L.T. in ersten Versuchen bearbeitet. Dieses Thema wird für die Vegetation 2023 weiter forciert und mit der Auswahl der Zwischenfrüchte in diesem Sommer beginnen.

Gewächshaus als Ergänzung

Da nicht alle Mittel und Kombinationen direkt im Freiland getestet werden sollen bzw. können, wird es ergänzend hierzu noch Gewächshausversuche beim LTZ Augustenberg geben. Hier wird der Wirkungsgrad unterschiedlicher Mittel gegen Zikaden im Detail überprüft werden. Diese Versuche werden auch über die Wintermonate durchgeführt, sodass man den gesamten Zeitraum optimal nutzen kann.

SONAR verbessert die Sortenwahl

Insbesondere bei Schädlingen und Krankheiten, für deren Bekämpfung keine Pflanzenschutzmittel zur Verfügung stehen, wie bei der Schilf-Glasflügelzikade, stellt die Sortenwahl einen maßgebenden Pfeiler im Krankheits- und Schädlingsmanagement dar. Bisher ist sogar davon auszugehen, dass in naher Zukunft nur mit dem Einsatz toleranter Sorten gegen einige Schädlinge und Krankheiten die Stabilisierung des Zuckerrübenanbaus gelingen kann. Durch eine optimal an den Standort angepasste Sortenwahl kann der Ertrag der landwirtschaftlichen Betriebe nachhaltig gesteigert werden und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert werden. Beispielgebend war dafür auch das Projekt „Zukunft Zuckerrübe“, bei dem erstmals die Folgen des Einsatzes von nematodentoleranten, teilresistenten Sorten untersucht wurden. In der heutigen Praxis ist es üblich, den Fokus auf die Ertragsleistung der Sorten zu legen. Alle anderen Faktoren werden schwächer gewichtet. Dies hat zur Folge, dass Sorten, die ertragsmäßig ähnlich abschneiden, nachrangig oder gar nicht gelistet werden, obwohl sie durch Resistenzen oder höhere Toleranzen zu einem besseren betriebswirtschaftlichen und auch einem ökologisch verträglicheren Ergebnis führen würden. Bei der Vermehrung von Schädlingen oder Krankheitserregern kann dies für die Betriebe negative Folgen haben.

Praxisbetriebe als Forschungsort

Vor diesem Hintergrund wurde Anfang des Jahres das Projekt SONAR (Sortenwahl für Nachhaltigkeit und Resilienz) ins Leben gerufen. Gemeinsam mit elf landwirtschaftlichen Betrieben sowie wie Partnern aus den Bereichen Forschung und Beratung, soll ein unabhängiger, wissenschaftlich-fundierter, digitaler Sortenberater entwickelt werden, der auf die praktischen Bedürfnisse der Landwirte zugeschnitten ist. Durch die geschickte Kombination von Klimadaten, Befallsdaten, ackerbaulichen- und betrieblichen Parametern sowie Sortenergebnissen sollen die Landwirte zukünftig die Möglichkeit haben, eine auf ihren Standort angepasste Sortenberatung zu erhalten. Da der digitale Sortenberater mit den Standorten der Landwirte arbeitet, ist es von entscheidender Bedeutung, auch die Ausbreitung der Krankheiten und Schädlinge über das Anbaugebiet als Datengrundlage verorten zu können. Diese digitale Datengrundlage wird in SONAR durch ein begleitendes Monitoring von Blattläusen, Schilf-Glasflügelzikaden, Nematoden sowie Blattkrankheiten, dem SBR- und Virusbefall geschaffen. In den elf landwirtschaftlichen Impulsbetrieben wurden in diesem Jahr bereits Streifenversuche angelegt, die – neben den Monitoringdaten – ansässigen Landwirten einen Eindruck über die verschiedenen Sorten verschaffen sollen. Zusätzlich werden in Exaktversuchen die Ertrags- und Qualitätsparameter der einzelnen Sorten erfasst. Basierend auf den regional erhobenen Parametern sowie den Exaktversuchen der Arbeitsgemeinschaft soll der digitale Sortenberater Landwirte zukünftig bei der Sortenwahl unterstützen und ihnen ein wertvolles Tool bieten, die optimale Sorte für ihren Standort zu finden.

Unterstützung:

Das Projekt BETA-CLIMATE wird als EIP-AGRI Projekt vom Land Baden-Württemberg und der Europäischen Union gefördert.

NIKIZ steht für „Nachhaltiges Insekten- und Krankheitsmana- gement im Zuckerrübenanbau der Zukunft“ und wird als EIP-Projekt im Rahmen des Entwicklungs- programms EULLE unter Beteiligung der Europäischen Union und des Landes Rheinland-Pfalz, vertreten durch das Ministerium für Wirt- schaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau, gefördert.