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Die Portfolio-Erweiterung durch die Ackerbohne stützt die Südzucker-Gruppenstrategie als Teil der Proteinstrategie ebenso wie im Bereich Nachhaltigkeit.

Proteinstrategie

Nachhaltig – vom Feld bis auf den Teller

Die Ackerbohne hält Einzug bei Südzucker

Mit der Gruppenstrategie „2026 Plus“ hat Südzucker im vergangenen Jahr eine strategische Neuausrichtung vorgestellt: Das Unter­nehmen baut das Portfolio an pflanzlichen Proteinen aus. Aus regional angebauten Ackerbohnen werden pflanzliche Proteine für Nahrungs- und Futtermittelhersteller gewonnen. 50 Millionen Euro investiert das Unternehmen, um eine eigene Produktions­anlage zur Herstellung von Proteinkonzentrat am Standort Offstein (Rheinland-Pfalz) zu errichten. BENEO, eine 2007 gegründete Tochtergesellschaft von Südzucker, ist ein führender Hersteller von funktionellen Inhaltsstoffen für Lebens- und Futtermittel. Das vielseitige Produktportfolio von BENEO, das derzeit Weizen- und Reisproteine umfasst, wird um Proteine aus der Ackerbohne erweitert. Diese werden dann unter anderem in Fleisch- und Milchersatzprodukten verwendet, denn die Nachfrage nach pflanzlichen Proteinen ist insgesamt groß und stetig wachsend. Dr. Georg Vierling, Südzucker AG, Leiter Rübenanbau und Co-Produkte der Division Zucker, und Christoph Boettger, Mitglied der Geschäftsführung bei BENEO, geben in einem gemein­samen Gespräch mit der dzz einen Einblick darüber, welches Potenzial die Ackerbohne bietet.

dzz:Erläutern Sie bitte, welche Bedeutung der Ackerbohne im Rahmen der Neuausrichtung der Südzucker-Gruppe zukommt.

Dr. Vierling: Die Südzucker-Gruppenstrategie „2026 Plus“ ist in vier Leuchtturmprojekte gegliedert: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, der Einsatz von biobasierten Chemikalien und die Proteinstrategie. Unsere Stärke ist die Verarbeitung von landwirtschaftlichen Rohstoffen bis hin zur Vermarktung der so gewonnenen Produkte. Auch in Zukunft liegt der Fokus auf der Zuckerrübe, auf Zichorien und Getreide. Im Rahmen der Neuausrichtung kommt jedoch ein weiterer Agrarrohstoff hinzu: Wir sehen die Ackerbohne als wichtige Proteinquelle der Zukunft, die unser bestehendes Portfolio an Feldfrüchten sinnvoll ergänzt.

Boettger: Die Portfolio-Erweiterung durch die Ackerbohne wirkt sich zudem auf mehrere Leuchtturmprojekte aus: Zum einen ist diese Maßnahme Teil der Proteinstrategie, sie hat aber auch Einfluss auf den Bereich der Nachhaltigkeit. Mit all ihren Vorteilen unterstützt die Ackerbohne die zentralen Elemente der Strategie, in der es um „Power of Plants“ geht. Unter diesem Motto will die Südzucker-Gruppe zu einer gesunden und nachhaltigen Welt beitragen, basierend auf der Kraft der Pflanzen. Dabei geht es auch um Verbrauchergesundheit und Klimaschutz – Bereiche, in denen die Ackerbohne einen wirksamen Beitrag leisten kann.

Mit Hilfe der Ackerbohne lässt sich der CO2-Fußabdruck über die gesamte Fruchtfolge reduzieren.   FOTOS (2): Risser

Stichwort Nachhaltigkeit: Viele Landwirte haben ein großes Umweltbewusstsein. Welchen Einfluss hat der Anbau der Ackerbohne auf den CO2-Fußabdruck der Betriebe?

Dr. Vierling: Leguminosen verfügen über eine Besonderheit: Über sogenannte Knöllchenbakterien, die im Boden leben, kann Stickstoff aus der Luft gebunden und an die Pflanze weitergereicht werden. Die Ackerbohne benötigt also keinerlei Stickstoffdünger. Auch die nachfolgenden Kulturen können einen Teil des gebundenen Stickstoffs aufnehmen, zum Beispiel der Winterweizen. Somit reduziert sich der CO2-Fußabdruck über die gesamte Fruchtfolge hinweg. Uns als Südzucker-Gruppe hilft das, unsere Nachhaltig­keits­ziele zu erreichen, denn wir verarbeiten ein Produkt mit einer guten Klimabilanz. Außerdem gehen wir davon aus, dass der größte Anteil des geplanten Ackerbohnenanbaus von unseren landwirtschaftlichen Partnern aus dem Zuckerrübenanbau übernommen werden kann. In den vergangenen Jahren haben wir bereits gemeinsame Bemühungen angestellt, um den Anbau der Zuckerrübe nachhaltiger zu gestalten. Welche Nachhaltigkeitsziele werden im Bereich Produktion und Transport angestrebt?

Boettger: Die Herstellung von Proteinkonzentraten lässt sich mit einem vergleichsweise niedrigen Energieverbrauch bewerkstelligen. Die geplante Anlage in Offstein wird auf dem modernsten Stand der Technik sein, die Anlage selbst wird vollständig mit Energie aus erneuerbaren Quellen versorgt werden. Dr. Vierling: Beim Transport des Rohstoffs können wir auf bestehende Logistikstrukturen aus der Zuckerrüben-Verarbeitung zurückgreifen. Hier sind LKW in Leichtbauweise und mit modernster Technik für einen geringen Spritverbrauch im Einsatz. Eine ganz entscheidende Frage ist, welche Antriebstechnologien sich in Zukunft durchsetzen und welche Energieträger zum Einsatz kommen werden. Boettger: BENEO betrachtet den gesamten Weg vom Fabriktor bis hin zum Endkunden und setzt dabei auf den intermodalen Verkehr. Die gute Vernetzung der Verkehrsmittel und der Wege ist von großer Bedeutung, um im gesamten die Emissionen so niedrig wie möglich zu halten – von der Feldfrucht bis hin zur regionalen Produktion, die zudem den ländlichen Raum stärkt. Im Rahmen der Fabrikerweiterung entstehen rund 25 neue Arbeitsplätze. Das schafft und sichert weitere Arbeitsplätze, zum Beispiel bei Handwerksbetrieben oder bei Geschäften der täglichen Versorgung. Somit schaffen wir Wertschöpfung im ländlichen Raum. Dr. Vierling: Und auch der regionale Anbau hat kürzere Transportwege zur Folge. Die Ackerbohne lässt sich in Europa und in Deutschland gut anbauen, sie benötigt aber eine sehr gute Wasserversorgung, insbesondere zum Zeitpunkt der Blüte. Nach der Analyse unserer Südzucker-Landkarte fiel die Wahl auf die Region Hessen mit dem Gebiet der Wetterau, aber auch die Gegend rund um Kassel. Hier konnten wir gute Klimabedingungen vorfinden.

Für Dr. Georg Vierling, Südzucker AG  (links) und Christoph Boettger, BENEO (rechts) überzeugt die Ackerbohne besonders mit Blick auf Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette.   FOTO: Vierling

Wie profitieren Landwirte vom Anbau der Ackerbohne? Gibt es Herausforderungen oder Besonderheiten?

Dr. Vierling: Bislang wurden Leguminosen vorwiegend als Viehfutter angebaut. Da wir eine ganzheitliche Verwendung für die Ackerbohne haben, ändert sich die Perspektive. Landwirte können sie auf einem Feld alle fünf bis sechs Jahre anbauen. Die Fruchtfolge wird dadurch aufgelockert und die Vielfalt gestärkt, Stichwort Biodiversität und Stickstoffbilanzierung. Es gibt aber auch Besonderheiten wie zum Beispiel die Aussaat: Das Saatgut muss idealerweise tiefer als 6 cm im Boden abgelegt werden, während die Zuckerrübe mit einer Tiefe von 2 bis 3 cm eingebracht wird. Die Ernte der Bohne erfolgt zumeist im August/September und kann mit der üblichen Druschtechnik bewerkstelligt werden. Ist die Ackerbohne besonders schädlingsanfällig?

Dr. Vierling: Wie bei anderen Eiweißpflanzen auch gibt es spezifische Schädlinge und Krankheiten, zum Beispiel den Ackerbohnenkäfer. Die Landwirte können aber im Rahmen des integrierten Pflanzenschutzes zielgerichtet reagieren. Und sie können – wie bei der Zuckerrübe – auf unsere bewährte ganzjährige Beratung zu allen produktionstechnischen Fragen zählen. Herr Boettger, welche Zutaten stellt BENEO aus der Ackerbohne her?

Boettger: Der Fokus von BENEO liegt auf Inhaltsstoffen, die ernährungsphysiologische sowie technische Vorteile liefern. Unser Portfolio umfasst im Proteinbereich bereits Reis- und Weizenproteine. Die Ackerbohne ergänzt dieses Angebot, sodass wir der großen und wachsenden Nachfrage weiterhin gerecht werden können. Proteinkonzentrate aus der Ackerbohne haben vielfältige Einsatzmöglichkeiten: So lässt sich der Eiweißgehalt von Müsliriegeln, Nudeln und Snacks gezielt erhöhen. Bei Backwaren funktionieren sie sehr gut als Ei-Ersatz. Im stark wachsenden Marktsegment für pflanzenbasierte Produkte können unsere Kunden mit Proteinkonzentraten aus der Ackerbohne die Textur von Fleisch- und Milchersatzprodukten verbessern. Auf Seiten der Verbraucher steigt die Nachfrage nach pflanzlichen Alternativen zu Fleisch. Der zunehmende Fleischverzicht hat ganz unter­schiedliche Gründe: Nachhaltigkeit, Gesundheit und ethische Aspekte geben immer mehr Verbrauchern Anlass, ihre Ernährung zu überdenken. Viele Menschen essen weiterhin gerne ihr Steak, aber eben deutlich seltener. Aktuelle Studien bestätigen uns, dass die Anzahl dieser sogenannten „Flexitarier“ nach oben schnellt. Die pflanzenbasierte Ernährung nehmen wir als positive Veränderung wahr und wollen diesen Trend mit guten und nachhaltigen Produkten weiter unterstützen. So können auch wir als Unternehmen einen Beitrag zu Klimaschutz, Gesundheit und Tierwohl leisten. Für uns sind das gute Gründe und ein großer Ansporn, uns in diesem Segment so stark zu engagieren.