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Der erste Schuss muss sitzen!

Fungizide gegen Cercospora richtig terminieren

Von Thomas Volk und Julia-Sophie von Richthofen, proPlant, Münster Im letzten Jahr waren etliche Landwirte und Berater nicht zufrieden mit ihrem Bekämpfungserfolg gegen die Cercospora-Blattfleckenkrankheit, selbst wenn 2- oder 3-mal behandelt wurde. Auf vielen Flächen in ganz Deutschland kam es spätestens im Herbst zu starkem Befall, Blattverlusten, Blattneuaustrieb und letztendlich niedrigerem Zuckerertrag und Erlöseinbußen. Wie lässt sich dies in diesem Jahr verhindern, zumal der Zuckermarkt voraussichtlich ein deutlich höheres Preisniveau erreichen wird?

Reguläre Neuzulassungen von neuen Fungizid-Wirkstoffen für die Zuckerrübe gibt es in diesem Jahr zwar nicht, aber für viele überraschend sieben Notfallzulassungen gegen Cercospora-Blattflecken in Zuckerrüben. Darunter sind erstmals Produkte mit Wirkstoffen aus der vielversprechenden Gruppe der Carboxamide (Propulse, Diadem). Auf der anderen Seite sind Produkte mit dem Wirkstoff Epoxiconazol (z.B. Duett Ultra) weggefallen. Zusätzlich müssen alle Mittel mit dem Wirkstoff Cyproconazol (Mercury Pro, Sphere) bis 30. November dieses Jahres aufgebraucht werden.

Früher war der Fungizideinsatz deshalb einfacher, weil sowohl die Strobilurin- als auch die Azol-Wirkstoffe deutlich länger wirkten. Doch durch die mittlerweile gerade in den typischen Befallsregionen weit verbreitete Strobilurin-Resistenz und das Azol-Shifting (schrittweise Anpassung des Pilzes über die Jahre) haben wir eine völlig andere Situation: Der Einsatz der verbliebenen Fungizide muss in diesem Jahr optimal terminiert werden, um die noch mögliche Leistung zu erzielen. Die Bedeutung des vorbeugend sowie an mehreren Orten im Pilz wirkenden Kupfers als Mischungspartner hat von Jahr zu Jahr zugenommen. Aufgrund der erfolgten Notfallzulassungen für Kupferprodukte wie Coprantol Duo dürfen sie in diesem Jahr eingesetzt werden. Sie verbessern nicht nur die Wirkung, sondern stellen auch einen Resistenzschutz für den Mischungspartner dar.

Termin wichtiger als Produkt

Der erste Fungizideinsatz muss den Aufbau einer Epidemie wirkungsvoll verhindern. Wenn er zu spät erfolgt, wird sich Cercospora unausweichlich bei weiterem Infektionswetter ausbreiten, das war im letzten Jahr wieder auf einem Teil der Schläge mit unbefriedigender Wirkung zu beobachten. Es gibt in Zuckerrüben keine Fungizide für eine Stoppspritzung (wie in Kartoffeln), den vorhandenen sichtbaren Befall kann man bei Cercospora nicht bekämpfen. Auch werden neu zuwachsende Blätter durch einen Fungizideinsatz nicht geschützt.

Falls wegen anhaltend günstigem Cercospora-Wetter danach weitere Fungizideinsätze notwendig werden, müssen sie sich an der Dauerwirkung der ersten Maßnahme sowie am Infektionsgeschehen orientieren. Im letzten Jahr konnte der Cercospora-Pilz bis in den September hinein immer wieder neu infizieren. Beim mehrmaligen Fungizideinsatz ist an einen Wirkstoffwechsel zu denken, es sollten also Azole mit unterschiedlichen Wirkstoffen verwendet werden.

Die richtigen Termine finden mit proPlant

Dabei kann das praxisbewährte Pflanzenschutz-Beratungssystem proPlant expert.classic unterstützen: Aus Sicht der Anwender der wichtigste Nutzen ist die zuverlässige Anzeige, ob sich an einem Tag der Cercospora-Pilz weiterverbreiten kann oder nicht. Das System kennt die Witterungsansprüche des Pilzes, vergleicht diese täglich mit den Wetterdaten der Tage zuvor sowie der Vorhersage für die nächsten 3 Tage von dem zum Schlag nächstgelegenen Wetterstandort und analysiert, ob sie für die Verbreitung von Cercospora optimal oder ungünstig sind. Der Pilz benötigt hohe Temperaturen und Feuchtigkeit durch Regen oder Tau für eine Infektion. Anhand von roten und gelben Punkten werden dem Anwender optimale bzw. günstige Tage für die Verbreitung des Pilzes angezeigt (s. Abb. 1 und 2). In diesem Beispiel für Regensburg erfasste die optimal terminierte erste Behandlung am 31. Juli 2021 alle Infektionen von Ende Juli bis Mitte August. Die 2. Fungizidmaßnahme am 31. August war aber zu spät, die Infektionen vom 22. bis 24. August wurden nicht bekämpft, und es kam zu einem starken Befallsverlauf. Im selben Beispiel wäre am 25. August die 2. Fungizidmaßnahme zum optimalen Zeitpunkt gekommen.

Die proPlant-Prognose wertet die Infektionsbedingungen vom Auflaufen der Rüben bis zum jeweils aktuellen Tag aus und gibt eine Empfehlung, wann mit der Beobachtung der Rübenschläge begonnen werden sollte. Die ersten Cercospora-Flecken finden sich auf den ältesten Blättern. Von dort aus verbreitet sich der Pilz bei Infektionswetter auf die jüngeren Blätter. Der teilweise hohe Cercospora-Befall am Ende der letzten Saison kann, muss aber nicht für dieses Jahr problematisch werden. Denn entscheidend werden die Infektionsbedingungen der nächsten Monate sein.

Auf die Verwechslungsgefahr mit den bakteriell verursachten Pseudomonas-Blattflecken ist zu achten. Bei Cercospora sieht man auf den Rübenblättern in den braunen Flecken dunkle Sporenträger. Diese fehlen bei den bakteriellen Blattflecken.

Erste Behandlung ist die wichtigste

Falls Anfangsbefall mit Cercospora vorhanden ist, wird bei zusätzlich günstigem Infektionswetter die erste Spritzung empfohlen. Der sinnvolle Termin für die erste Spritzung ist von Jahr zu Jahr und von Region zu Region unterschiedlich. Nur dort, wo die Strobilurine noch (rein vorbeugend) wirken, also gerade nicht in den typischen Befallsregionen, sollte die erste Behandlung mit einem strobilurinhaltigen Fungizid plus Azol erfolgen (z.B. Amistar Gold oder dieses Jahr letztmals möglich Sphere oder Mercury Pro). Bei längerer Trockenheit (auch ohne nennenswerte Taubildung) kommt die Epidemie entweder nicht in Gang oder zum Stillstand, dies ist in einzelnen Jahren immer wieder zu beobachten. Falls ein Landwirt eine Beregnung durchführt oder es auf seinem Betrieb anders geregnet hat als an der nächstgelegenen Wetterstation, kann und sollte er dies im Prognosemodell durch eine Niederschlagskorrektur berücksichtigen lassen. Das Wetter 2021 war oftmals in weiten Teilen Deutschlands optimal für Cercospora-Infektionen. Deshalb kam es vielerorts in Deutschland zu dem starken Befall.

Beregnung erhöht Risiko

Cercospora überdauert von Jahr zu Jahr auf befallenen Rübenblättern oder -resten. Je weiter man in Deutschland nach Norden kommt, desto später startet i.d.R. der Erstbefall. Auf folgenden Risikoschlägen findet man in jedem Jahr den frühesten Befall mit Cercospora:

  • in Staulagen, Flussnähe
  • befallener Rübenschlag aus dem Vorjahr unmittelbar daneben
  • anfällige Sorte (Einstufung laut deutscher Bundessortenliste 5 und höher)
  • Beregnungsschläge
  • früher Reihenschluss rel. gesehen zu anderen diesjährigen Schlägen.

Ein üppiger Blattapparat hat noch eine andere Konsequenz: Hier bleibt die Blattnässe länger erhalten, es herrscht ein optimales Mikroklima für Cercospora-Infektionen.

Einsatzbedingungen müssen stimmen

Die Randbedingungen beim Fungizideinsatz müssen 2022 optimal sein, auf dem gesunkenen Wirkungsniveau können schlechte Anwendungsbedingungen nicht mehr akzeptiert werden. Daher ist Folgendes zu beachten:

  • an sehr warmen Tagen Spritzungen möglichst in den kühleren Morgenstunden bzw. am frühen Vormittag
  • Abendspritzungen nur bei Temperaturen unter 25 ° C
  • Wasseraufwandmenge mind. 300 l/ha
  • große Tropfen und ausreichender Druck für eine gute Bestandesdurchdringung

Klimawandel verschärft Probleme

Der Klimawandel führt im Durchschnitt der Jahre dazu, dass bekämpfungswürdiger Cercospora-Befall früher auftreten kann, so dass auch frühzeitigere Fungizideinsätze notwendig sind. Dafür gibt es mehrere Gründe: Der Reihenschluss wird früher erreicht als vor 10 Jahren. Die Infektionsbedingungen für den wärmeliebenden Pilz sind besser. Es vergehen zudem weniger Tage von der Infektion bis zum Sichtbarwerden der Symptome.

Sortenunterschiede nutzen

Das proPlant-System kennt die Anfälligkeit der Sorten gegen die vier wichtigen Blattkrankheiten Cercospora, Mehltau, Rost und Ramularia. Auch diese Information wird selbstverständlich jährlich aktualisiert, denn aus ehemals gering anfälligen Sorten werden mit den Jahren oftmals mittel- oder hochanfällige Sorten. „Gesündere“ Sorten sind besonders interessant für Regionen, in denen Cercospora Jahr für Jahr bekämpfungswürdig auftritt, also eher in Süddeutschland oder im Rheinland. Aber eine gute Resistenz gegen Cercospora sagt nichts aus über die Anfälligkeit gegen die anderen Pilzkrankheiten, wie Mehltau und Rost.

Positive Aussichten

Es besteht die berechtige Hoffnung, dass in Zukunft aus den diesjährigen Notfallzulassungen mit teilweise neuen Wirkstoffen von verschiedenen Herstellern regulär zugelassene Zuckerrüben-Fungizide werden. In Feldversuchen konnte man sich in den letzten Jahren bereits von deren Wirkung gegenüber Cercospora überzeugen.

Zum anderen wird es sicher auch im kommenden Jahr weitere neue Sorten mit geringer Anfälligkeit gegen Cercospora geben. Falls die gesünderen Sorten an Fläche gewinnen, würde dies insgesamt das Befallsrisiko für diesen durch Regen und Wind verbreiteten Pilz senken.