Markt, Politik und Ökonomie
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Ärgernis gekoppelte Zahlungen
Ausdauer ist gefragt
Faire Wettbewerbsbedingungen für deutsche Zuckerrübenanbauer

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Ärgernis gekoppelte Zahlungen
Ausdauer ist gefragt
Faire Wettbewerbsbedingungen für deutsche Zuckerrübenanbauer
Dr. Astrid Rewerts, Abteilungsleiterin Agrarpolitik, Wirtschaftliche Vereinigung Zucker e.V. Mit dem Beschluss über die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) für die Förderperiode ab dem Jahr 2014 wurde die Möglichkeit geschaffen, gekoppelte Zahlungen für Zuckerrüben zu gewähren. Im Jahr 2015 implementierten zunächst zehn Mitgliedstaaten gekoppelte Zahlungen für Zuckerrüben. Litauen machte im Jahr 2017 als elfter Mitgliedstaat von diesem Instrument Gebrauch. Das Budget dieser elf Mitgliedstaaten für gekoppelte Zahlungen für Zuckerrüben beträgt im Jahr 2022 insgesamt 181 Millionen Euro. Bei einer förderfähigen Fläche von 507.669 Hektar ergibt sich daraus eine durchschnittliche Zahlung von 357 Euro pro Hektar. Deutschland hat die gesamte zurückliegende Förderperiode an seiner strikten Ablehnung gekoppelter Zahlungen festgehalten.
Wettbewerbsverzerrungen durch gekoppelte Zahlungen wissenschaftlich belegt
Mit dem Verhandlungsergebnis über die GAP ab dem Jahr 2014 war klar, dass die Zuckerwirtschaft erneut einer tiefgreifenden Reform ausgesetzt wird – der Abschaffung der Zuckerquote zum 30. September 2017. Das Ziel bestand darin, die Zuckerproduktion auf die effizientesten Standorte zu verlagern. Gleichzeitig konnten jedoch sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindende Zuckerrübenanbauregionen durch gekoppelte Zahlungen gestützt und damit im Markt erhalten werden – ein fataler Konstruktionsfehler. Im Auftrag der Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker e.V. (WVZ) untersuchte daher Wageningen University Research die Effekte der gekoppelten Zahlungen auf die Produktion und Preise von Zuckerrüben in der EU. Der Titel der bereits im Dezember 2017 veröffentlichten Studie „Impact of coupled EU support for sugar beet growing: More production, lower prices“1 kann die Auswirkungen der gekoppelten Zahlungen in anderen Mitgliedstaaten auf die deutsche Zuckerwirtschaft kaum zutreffender beschreiben.
Auf dieser wissenschaftlichen Grundlage verstärkte die deutsche Zuckerwirtschaft ihre politische Arbeit, welche auf nationaler Ebene im Frühjahr 2019 – als zwei Fabrikschließungen nicht mehr abwendbar waren – in der Einberufung eines Expertengremiums durch die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner mündete. Eine vergleichbar geringe politische Wirkung ging von der – vor dem Hintergrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage des europäischen Zuckersektors einberufenen – „High Level Group on Sugar“ aus, obschon diese in ihrem Bericht vom Juli 2019 eine realistische Einschätzung der wettbewerbsverzerrenden Wirkung der gekoppelten Zahlungen aufzeigte.
Die neue Förderperiode der GAP ab 2023
Da weder die sogenannte Allgemeine Ausrichtung des Agrarministerrates noch die Position des Europäischen Parlaments eine Abschaffung der gekoppelten Zahlungen für Zuckerrüben vorsah, bestand in den Trilogverhandlungen Einigkeit über die Beibehaltung dieses Instruments.
Forderungen der deutschen Zuckerwirtschaft nach einem nationalen Ausgleich für gekoppelte Zahlungen für Zuckerrüben in anderen Mitgliedstaaten, z. B. durch eine Honorierung der Ökosystemleistungen der Zuckerrübe durch eine spezielle Öko-Regelung oder eine Förderung über Maßnahmen der 2. Säule blieben ebenfalls unerfüllt. Die deutsche Zuckerwirtschaft wird also auch in den kommenden Jahren einer Benachteiligung im Wettbewerb mit anderen europäischen Zuckererzeugern ausgesetzt sein.
Beihilfebeschwerde gegen gekoppelte Zahlungen für Zuckerrüben in elf Mitgliedstaaten
Vor diesem Hintergrund legte die WVZ im März 2022 eine Beihilfebeschwerde gegen gekoppelte Zahlungen für Zuckerrüben bei der Generaldirektion Wettbewerb (GD COMP) ein. Im Kern legt die Beihilfebeschwerde dar, dass die gekoppelten Zahlungen für Zuckerrüben in den betreffenden elf Mitgliedstaaten nicht in Einklang mit der Direktzahlungenverordnung (Verordnung (EU) Nr. 1307/2013) stehen, u.a. weil die gekoppelten Zahlungen für Zuckerrüben flächendeckend gezahlt werden und nicht auf sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindende Regionen beschränkt sind. Weiterhin zielte die Beihilfebeschwerde darauf ab, die Europäische Kommission zu einer gründlichen Prüfung der nationalen GAP-Strategiepläne zu bewegen. Schließlich müssen die Mitgliedstaaten in ihren jeweiligen GAP-Strategieplänen darlegen, welche Sektoren unter welchen Bedingungen gekoppelte Zahlungen erhalten und die Kommission muss diese GAP-Strategiepläne wiederum genehmigen.
EU-Kommission versperrt der deutschen Zuckerwirtschaft den juristischen Weg
In ihrer ersten Reaktion auf die Beihilfebeschwerde legte die GD COMP dar, dass zunächst zu prüfen sei, ob die Mitgliedstaaten die gekoppelten Zahlungen für Zuckerrüben in Einklang mit der Direktzahlungenverordnung gewährt haben oder nicht. Folglich komme die Einleitung eines Beihilfeverfahrens erst in Betracht, wenn ein Verstoß gegen die Direktzahlungenverordnung festgestellt werde. Die Prüfung, ob die gekoppelten Zahlungen den Vorgaben der Direktzahlungenverordnung entsprechen, hat die GD COMP der Generaldirektion Landwirtschaft (GD AGRI) übertragen. Aufgrund der größeren fachlichen Nähe der GD AGRI zu Fragen der Direktzahlungen war dies ein nachvollziehbarer Schritt. Allerdings hat die GD AGRI beschlossen, die strittige Frage der rechtmäßigen Gewährung der gekoppelten Zahlungen im Zuge eines Vertragsverletzungsverfahrens zu beantworten. Damit wurde das Anliegen der deutschen Zuckerwirtschaft zwar nach wie vor verfolgt, aber es gibt für die WVZ keine Rechtsmittel, um die Entscheidung der Europäischen Kommission anzufechten.
Mittlerweile hat die GD AGRI das Vertragsverletzungsverfahren eingestellt. Die Kommission begründet diesen Schritt damit, dass alle gekoppelten Zahlungen für Zuckerrüben den gesetzlichen Zuteilungsvoraussetzungen der Direktzahlungenverordnung entsprochen haben. Dies sei durch die Prüfung aller Zuteilungskriterien und im Falle von festgestellten Missständen durch entsprechende Anpassungsaufforderungen an die betreffenden Mitgliedstaaten sichergestellt worden. Bedauerlich ist, dass sich die deutsche Zuckerwirtschaft auf diese Aussagen der Europäischen Kommission verlassen muss. Nachweise über die genauen Prüfinhalte sowie Ergebnisse oder gar von einzelnen Mitgliedstaaten vorgenommene Anpassungen zur Gewährleistung der Konformität der gekoppelten Zahlungen mit der entsprechenden Verordnung bleibt die Kommission dagegen schuldig. Insofern hat die intensiv vorbereitete und argumentativ breit unterlegte Beihilfebeschwerde der WVZ weder eine bessere Überprüfbarkeit der Rechtmäßigkeit der gekoppelten Zahlungen für Zuckerrüben in anderen Mitgliedstaaten noch eine höhere Transparenz hinsichtlich der Überprüfung der gekoppelten Zahlungen durch die Europäische Kommission erbracht. 1Smit, A.B., R.A. Jongeneel, H. Prins, J.H. Jager and W.H.G.J. Hennen o, 2017. Impact of coupled support for sugar beet growing in the EU: More sugar beets and lower sugar beet price. Wageningen, Wageningen Economic Research, Report 2017-114.
