Markt, Politik und Ökonomie
Auch in der größten stand-alone Zuckerraffinerie der Welt in Dubai sind die Kosten massiv gestiegen. FOTO: dzz
Globale Zuckererzeugung und -verbrauch
Wohin steuert der Weltmarkt?
Prognosen uneinheitlich – Angebot übersteigt Nachfrage

Auch in der größten stand-alone Zuckerraffinerie der Welt in Dubai sind die Kosten massiv gestiegen. FOTO: dzz
Globale Zuckererzeugung und -verbrauch
Wohin steuert der Weltmarkt?
Prognosen uneinheitlich – Angebot übersteigt Nachfrage
Von Dr. Fred Zeller Der Weltmarkt für Zucker hat zwar keine unmittelbare Einwirkung auf den EU-Binnenmarkt, weil nach wie vor ein funktionierender Außenschutz für die europäische Erzeugung besteht. Es gibt jedoch für ehemalige Kolonien aus Afrika, der Karibik und des pazifischen Raums (AKP), die 49 ärmsten Länder der Erde (LDC) und einige europäische Staaten zollbefreite Einfuhrkontingente sowie zollbegünstigte Liefermöglichkeiten im Rahmen der WTO-Regelungen.
Zuckereinfuhren in die EU sind deutlich gesunken
Deshalb sind der Weltmarktpreis und sein Abstand zum EU-Binnenpreis für die Rübenanbauer und Zuckerunternehmen in Europa immer noch eine zu beachtende Kenngröße, weil insbesondere die Differenz darüber Auskunft gibt, wie attraktiv Lieferungen in die EU für die Zuckerexportländer mit Präferenzzugang sind. In den letzten Jahren wurden wegen des niedrigen EU-Binnenmarktpreises die Liefermöglichkeiten, die durchaus 3 Mio. t p. a. erreichen können, in etwa nur zur Hälfte ausgeschöpft. Das könnte sich mit der deutlichen Erholung des EU-Zuckerpreises wieder ändern.
Die Mehrheit der Analysten geht derzeit von einer deutlichen Steigerung der globalen Zuckererzeugung im Wirtschaftsjahr 2022/23 aus. Für den Zeitraum Oktober 2022 bis September 2023 wird eine Produktion von 182 Mio. t erwartet, das wären nicht nur rund 9,5 Mio. t mehr als 2021/22, sondern es wäre auch die höchste jemals weltweit erzeugte Zuckermenge.
Welt-Zuckererzeugung

Zu- und Abnahme der Erzeugung

Dieser Zuwachs kommt im Wesentlichen aus Brasilien und dem fernen Osten mit den großen Erzeugungsländern Thailand, China und Australien. Rückgänge vor allem durch ungünstige Witterung bedingt zeigen sich in Westeuropa und auf dem indischen Subkontinent.Insgesamt gewinnt Rohrzucker damit weiterhin Marktanteile gegenüber dem Rübenzucker und dominiert mit mehr als 80 % immer stärker.
Welt-Rohr- und Rübenzuckerproduktion

Zuckernachfrage steigt weiter, aber langsamer
Der globale Zuckerverbrauch legte zuletzt nach einer Covid-Delle in den Wirtschaftsjahren 2019/20 und 2020/21 wieder deutlich zu. Allerdings hat sich das Tempo des Nachfragewachstum gegenüber früher deutlich verlangsamt. Ging man vor 2015 von einem jährlichen Anstieg des Konsums durch Bevölkerungswachstum und höherem Pro-Kopf-Verbrauch um 2 % aus, scheint nun eher 1 % p.a. realistisch.
Für das Zuckerwirtschaftsjahr 2022/23 wird deshalb erstmals wieder ein Angebotsüberschuss von gut 6 Mio. t erwartet. Nach drei Jahren mit leichten Nachfrageüberhängen dürften die Lagerbestände also steigen. Rechnerisch betragen die Vorräte rund 58 % des Jahresverbrauchs.
Welt-Zuckerverbrauch

Obwohl es mehr als zweifelhaft ist, ob diese Lagerbestände tatsächlich in der angegebenen Größenordnung existieren und in welcher Qualität sich der Zucker befindet, zeigt ihre rechnerische Größe doch eine hohe Korrelation mit dem Zuckerweltmarktpreis.
Den globalen Handel mit Zucker sehen die Analysten 2022/23 auf knapp 65 Mio. t steigen, das wären rund 2 Mio. t mehr als im Vorjahr. Dominierender Exporteur bleibt Brasilien mit rund 27 Mio. t Ausfuhren, gefolgt von Thailand mit 10 Mio. t und Indien mit 8 Mio. t. Diese drei Länder bestreiten damit 70 - 75 % der weltweiten Zuckerexporte.
Selbstversorgung soll steigen
Wichtigste Einfuhrländer sind die Volksrepublik China und Indonesien mit jeweils rund 5 - 7 Mio. t Importbedarf pro Jahr. Beide Nationen verfolgen ähnlich wie andere Einfuhrländer Strategien zur Steigerung der Eigenversorgung.
Dafür sind nicht nur die wegen der weltweiten Verteuerung von Energieträgern stark gestiegenen Raffinationskosten zur Umwandlung des importierten Rohzuckers in Weißzucker ausschlaggebend, sondern auch die zwischenzeitlich horrenden Seefrachtraten. Beide zusammen haben dafür gesorgt, dass die sogenannte „Weißzucker-Prämie“ auf bis zu 150 $/t gestiegen ist.
Für die weitere Zukunft sehen Analysten keinen signifikanten Rückgang der gegenwärtigen Zuckerpreise von rund 530 €/t Weißzucker und 20 US-Cents/lb Rohzucker, das entspricht beim derzeitigen Wechselkurs rund 420 €/t.
Höhere Dünger- und Kraftstoffkosten treiben die Erzeugungskosten in der Landwirtschaft und die Verarbeitungskosten in den Zuckerfabriken weiter. Gleichzeitig sorgen höhere Benzinpreise für eine Unterstützung des Ethanolgeschäfts, das für viele Zuckererzeuger, insbesondere in den Hauptexportländern Brasilien und Indien, wie ein Auffangnetz gegen sinkende Zuckerpreise wirkt.
Vorratsquote und Weltmarktpreis

EU-Preisbericht sehnlichst erwartet
Nach einer Schätzung eines sehr renommierten englischen Marktbeobachters belaufen sich die durchschnittlichen Herstellkosten für Rohzucker weltweit auf 500 $/t und für Weißzucker auf 630 $/t. Wie weit der Abstand zum EU-Binnenmarktpreis ist, wird sich erst dann zeigen, wenn die EU-Preisberichterstattung für die letzten Monate des Kalenderjahres 2022 vorliegt.

