Anbau
Smart Sprayer in Zuckerrüben Quelle: Xarvio Digital Farming Solutions
Unkrautbekämpfung der Zukunft
Neue Strategien im Zuckerrübenanbau
Weniger Wirkstoffe und höhere Auflagen erfordern ein Umdenken

Smart Sprayer in Zuckerrüben Quelle: Xarvio Digital Farming Solutions
Unkrautbekämpfung der Zukunft
Neue Strategien im Zuckerrübenanbau
Weniger Wirkstoffe und höhere Auflagen erfordern ein Umdenken
Von Dr. Johann Maier Seit 2017 wurden in der EU 27 Wirkstoffe für den Einsatz in Zuckerrüben verboten. Darunter befanden sich wichtige Substanzen für den nachhaltigen Anbau von Zuckerrüben, wie Neonikotinoide am Saatgut, Desmedipham und Epoxiconazol. Während es in einigen Nachbarstaaten nach wie vor Ausnahmen beim Einsatz von Neoniks am Saatgut gibt (u.a. Frankreich), sind die beiden anderen Wirkstoffe als wichtige Bausteine für die Unkraut- und Blattkrankheitsbekämpfung verloren. Zusätzlich befinden sich Phenmedipahm und Triflusulfuron als weitere wichtige Substanzen für die Unkrautbekämpfung aktuell im Prozess der Bewertung für eine Wiederzulassung. Beide Wirkstoffe werden aktuell von den antragstellenden Firmen (mit Unterstützung der europäischen Zuckerwirtschaft und Wissenschaft) verteidigt. Ausgang offen!
Zusätzlich hat die Europäische Kommission im Rahmen der „Green-Deal“-Dachstrategie die sogenannte Farm-to-Fork-Strategie (F2F) vorgelegt, die bis 2030 umgesetzt sein soll. Seit Kurzem gibt es dazu eine vorgeschlagene Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln durch die europäische Kommission. Das Ziel ist die Reduktion von Menge und Risiko chemischer Pflanzenschutzmittel auf EU-Ebene bis 2030 um 50 %. Als Referenz für die entsprechende Berechnung gelten die Jahre 2015, 2016 und 2017.
Zusätzlich beinhaltet der Vorschlag faktisch ein Totalverbot von Pflanzenschutzmittel in allen sensiblen Gebieten. Das sind Schutzgebiete, die nach Naturschutzrecht nach Brüssel gemeldet wurden, wie z.B. Natura 2000, FFH, alle Grundwasserkörper mit > 10 m3 täglicher Entnahme).
Was dies für die Unkrautkontrolle im Zuckerrübenanbau bedeutet und welche Möglichkeiten der Umsetzung es gibt, soll dieser Artikel zeigen.
Strategie 1: Weiter wie bisher
Dieser Ansatz, nichts zu verändern, würde nur dann funktionieren,
- wenn es zu keiner Halbierung des Einsatzes von Pflanzenschutzmittel käme und
- wenn noch ausreichend Wirkstoffe für eine sichere Unkrautbekämpfung zur Verfügung stünden.
Beide Voraussetzungen sind aus der aktuellen Einschätzung in der Zukunft eher unwahrscheinlich.
Strategie 2: Reduktion des Einsatzes von Herbiziden bei weiterhin ganzflächiger Applikation
Szenario A: Einsatz von bisherigen „Standardherbiziden“ Sehen wir uns dazu eine in den Jahren 2015 bis 2017 durchaus übliche Standardherbizidempfehlung bei einer „Normalverunkrautung“ (ohne schwer bekämpfbare Arten) in der Tabelle einmal an. Insgesamt würde in diesem Fall je nach gewählter Variante bei dreimaligem Einsatz eine Gesamtproduktmenge zwischen 6,75 und 8,25 l bzw. kg/ha zur Anwendung kommen (ohne Ölzusatz gerechnet). Um unter dieser Konstellation die 50 % Pflanzenschutzmittereduktion zu realisieren müsste der Landwirt
- entweder die Anzahl der Applikation bei Beibehaltung der Aufwandmengen halbieren, d.h. von durchschnittlich 3 (4) auf 1,5 (2) reduzieren oder
- die Aufwandmengen halbieren, wenn er die Applikationshäufigkeit beibehalten würde.
Beide Lösungsansätze würden sehr wahrscheinlich zu einem schlechten bis sehr schlechten Bekämpfungserfolg führen und wären daher nur unter äußerst günstigen Bedingungen („sauberer“ Acker mit geringer Verunkrautung) praktikabel.
Szenario B: Einsatz von Conviso®SMART Die beiden Unternehmen KWS und Bayer CropScience haben mit dem System CONVISO®SMART für den Zuckerrübenanbau eine effektive und effiziente Möglichkeit der Unkrautkontrolle entwickelt. Das dabei eingesetzte Herbizid CONVISO® ONE besitzt ein breites Wirkungsspektrum gegenüber Unkräutern und Ungräsern. Problemunkräuter, wie z.B. Bingelkraut, Hundspetersilie und Weißer Gänsefuß sowie Unkrautrüben, werden dabei erfolgreich erfasst. Ein weiterer Vorteil ist die reduzierte Anzahl von Herbizidapplikationen. Anstatt der praxisüblichen drei bis vier Applikationen kommt das System mit maximal zwei Applikationen, im Abstand von 10 - 14 Tagen, aus. Die maximale Aufwandmenge ist dabei auf insgesamt 1,0 l/ha beschränkt.
Im Vergleich zu Szenario 1 wäre die Reduktion der Produktmenge beim Einsatz Conviso®SMART zwischen 85 und 88 %. Gleichzeitig sinkt der Behandlungsindex von 4-5 bei einer bisherigen Standardspritzung auf 1 in der Conviso®SMART Variante.
Strategie 3: Reduktion des Einsatzes von Herbiziden durch Bandapplikation und Maschinenhacke zwischen den Reihen
Szenario C: Einsatz von bisherigen „Standardherbiziden“ Dieses Verfahren war in früheren Jahren auf vielen Betrieben Standard und kommt jetzt wieder „in Mode“. Dabei kann die Ausbringung der Herbizide im Band gleichzeitig mit dem Hacken zwischen den Reihen oder auch in zwei getrennten Arbeitsschritten erfolgen. Aufgrund von möglichen Minderwirkungen der Herbizide durch Staubablagerungen auf den Blättern, der Reduktion der möglichen Einsatztage (bei diesem kombinierten Verfahren muss das Wetter sowohl fürs Hacken als auch fürs Spritzen passen) und den unterschiedlichen Arbeitsgeschwindigkeiten (die Vorfahrtsgeschwindigkeit beim Hacken ist niedriger als beim Spritzen) setzt sich allerdings immer mehr die Trennung der Arbeitsgänge durch. Je nach Bandbreite und Reihenweite sind Herbizideinsparungen bis zu 70 % (bei 45er Reihe und 15 cm Bandbreite) theoretisch möglich. Szenario D: Einsatz von Conviso®SMART Dies gilt analog beim Einsatz des Herbizids CONVISO® ONE im System Hacke/Band. Das Einsparpotenzial gegenüber einer Flächenapplikation liegt analog zu Szenario C bei bis zu 70 %.
Vergleicht man dieses Szenario mit den bis dato ausgebrachten Mengen von 6,75 bis 8,25 l bzw. kg/ha, dann errechnet sich ein Einsparpotenzial von 95 bzw. 96 %.

Prototyp eines gezogenen zweireihigen Hackroboters. FOTO: Risser
Strategie 4: Reduktion des Einsatzes von Herbiziden durch den Einsatz eines Smart Sprayers in der Fläche
Bei diesem System ist das Ziel, Herbizide nur dort auszubringen, wo sie wirklich notwendig sind. Anhand von Kameras und künstlicher Intelligenz unterscheidet die Smart-Spraying-Technologie Kulturpflanzen von Unkräutern. Dabei nehmen mehrere Kameras über die gesamte Arbeitsbreite der Feldspritze verteilt lückenlos Bilder auf. Im Anschluss erkennt das System mit Hilfe von klassischen Deep-Learning-Algorithmen für die computergestützte Bilderkennung die auf dem Acker wachsenden Pflanzen und unterscheidet zwischen Kulturpflanzen und Unkräutern. Im letzten Schritt wählt die Software automatisch die zu aktivierenden Düsen der Feldspritze aus.
Bei dieser Technologie kann man nochmals unterteilen in Eintank- und Mehrtanksystemen. Bei letzterem kann man in die verschiedenen Behälter unterschiedliche Herbizide geben, die dann je nach Bedarf miteinander gemischt werden oder separat über unterschiedliche Leitungen punktgenau an der(n) entsprechenden Düse(n) ankommen. Das Einsparpotenzial dieses Systems liegt bei ca. 70 %.
Theoretisch wäre auch eine Kombination aus Hackmaschine und Smart Spraying vorstellbar.
Allerdings haben diese Geräte aufgrund ihrer Arbeitsbreiten und Vorfahrtgeschwindigkeiten den Nachteil, dass sie relativ große Kacheln entweder mit Herbizid belegen oder unbehandelt lassen. Entscheidend hierfür ist der vorab eingestellte Schwellenwert beim Unkraut.
Hier ein Beispiel zur Verdeutlichung: Liegt der eingestellte Schwellenwert bei zwei Unkräutern/m2, öffnen sich die Düsen bei mehr als zwei und bleiben bei weniger als zwei geschlossen. Diese Vorgehensweise hinterlässt auf dem behandelten Feld dann ein „Schachbrettmuster“ von behandelten und unbehandelten Kacheln.
Hier würde folgende Strategie Abhilfe schaffen.
Strategie 5: Einsatz von gezogenen kleinen Geräten mit punktueller Applikation von Herbiziden
Auf dem Südzucker-Versuchsbetrieb in Kirschgartshausen wird ein Gerät der Firma ecorobotix mit einer spot spray Einrichtung getestet. Es funktioniert wie der SmartSprayer mit einem Kamerasystem zur Unterscheidung von Kulturpflanze und Unkräutern. Aufgrund der geringen Düsenabstände und einer sehr niedrigen Führung der Düsen kann die Spotgröße auf 6*6 cm deutlich reduziert werden. Dadurch liegt das Einsparpotenzial bei dieser Lösung, abhängig vom Unkrautdruck, bei bis zu 95 % im Vergleich zu einer konventionellen Flächenbehandlung. Bei 6 m Arbeitsbreite und einer Fahrgeschwindigkeit von 7 km/h erreicht das Gerät zwar nicht die Leistung einer Standardspritze, stellt aber im Vergleich zu den sehr langsamen autonomem Systemen einen guten Kompromiss dar. Wird das System in weiteren Kulturen, wie Gemüse oder auch zur Ampferbekämpfung im Grünland eingesetzt, ist eine wirtschaftliche Anwendung alleine durch die Herbizideinsparung möglich. Das System erlaubt auch die gezielte Anwendung von Fungiziden und Insektiziden direkt auf die Kulturpflanzen mit entsprechender Einsprung der eingesetzten Mittel.
Strategie 6: Einsatz von selbstfahrenden oder gezogenen Hackrobotern zur rein mechanischen Unkrautbekämpfung
Hackroboter kommen im ökologischen Anbau immer häufiger zum Einsatz, um die aufwendige Handarbeit zumindest teilweise durch intelligente Hacksysteme zu ersetzen. Auch im konventionellen Anbau gibt es zunehmend Interesse an dieser rein mechanischen Technologie. Mittlerweile gibt es eine Reihe von Firmen, die solche autonomen Lösungen vertreiben. Einige davon werden ebenfalls in Kirschgartshausen getestet.
Diese kleinen Roboter unterscheiden die Unkräuter von den Kulturpflanzen entweder über den Standort oder über Kamerasysteme. Die Arbeitsbreite ist derzeit auf max. 6 Reihen und die Arbeitsgeschwindigkeit je nach System auf ca. 1-4 km/h beschränkt. Allerdings sind diese Einheiten nur geringen Bodendruck, da sie klein und leicht sind.
Roboter können theoretisch rund um die Uhr selbständig arbeiten, wenn die Energieversorgung gesichert ist und keine Störungen auftreten.
In den Tests hat sich gezeigt, dass die Hackwerkzeuge bei stärkerer Mulchauflage und vielen Steinen Probleme haben. Hier müssen die Systeme noch verbessert werden. Zusätzlich bleibt rund um den Standort einer kleinen Zuckerrübe eine Fläche von den Hackwerkzeugen unberührt. Das in diesem Radius aufwachsende Unkraut muss am Ende von Hand bereinigt werden.

Dr. Johann Maier, Südzucker AG, Kuratorium für Versuchswesen und Beratung im Zuckerrübenanbau, Mannheim
