US-Zuckerpolitik im Wandel - Marktliberalisierung zu Lasten von Verbrauchern und Erzeugern

Von Jack Roney, Direktor für Ökonomie und politische Analyse, American Sugar Alliance - Es waren  turbulente Zeiten für die US-amerikanischen Zuckerrüben- und Zuckerrohr-Erzeuger sowohl im Hinblick auf den Markt als auch auf die Zuckerpolitik.

Domino Sugar New York
Im Laufe des vergangenen  Jahres  sind wir von einer relativen Zuckerknappheit und guten Preisen zu einer drohenden Überversorgung des Marktes und einem Preiskollaps gekommen. Und obwohl wir schon fast vor dem Abschluss einer neuen  „Farm Bill“ - so heißen  die immer auf 5 Jahre  angelegten  agrarpolitischen  Regelungen in  den  USA - standen,   müssen  wir 2013 wieder bei Null anfangen.

Hintergrund

Bevor wir in die Einzelheiten gehen, möchte ich die Rahmenbedingungen der US-Zuckerwirtschaft erläutern. Wir sind  eines  der wenigen  Länder, das gleichzeitig eine große und effiziente Zuckerrüben- und Zuckerrohr-Erzeugung hat. Zuckerrüben werden in elf Bundesstaaten, hauptsächlich im nördlichen  Teil des Landes, angebaut und Zuckerrohr in vier Südstaaten, Florida, Hawaii, Louisiana und Texas. Wir sind  der  fünft- größte Zuckererzeuger der Welt, etwas mehr als die Hälfte unserer Produktion kommt aus Zuckerrüben. Unsere Branche bietet 142.000 Arbeitsplätze  und annähernd 20 Milliarden $ Umsatz.

Rübenzuckerfabriken in Anbauerhand

Wir sind stolz  darauf,  dass  wir im weltweiten Vergleich der Produktionskosten durch das Beratungsun- ternehmen LMC International 2010/11 den 20. Platz unter 95 zuckererzeugenden Ländern und Regionen erreicht haben. Unter den Produzenten auf Basis Zuckerrüben lagen wir sogar auf Platz  1. Weil wir, wie die europäischen Erzeuger, im weltweiten Vergleich sehr hohe und damit kostspielige  Standards  im  Hinblick auf den Schutz der Mitarbeiter, der Verbraucher und der Konsumenten einhalten müssen, ist diese erfolgreiche Platzierung, umso beeindruckender  in  einer  Welt  des  Zuckers, die von Entwicklungsländern dominiert wird.

Wir sind durch eine Phase brutaler Konsolidierung gegangen, die durch jahrelang anhaltende niedrige Marktpreise und steigende Herstellungskosten  geprägt war. Seit 1985 wurden mehr als die Hälfte der rü- ben- und rohrverarbeitenden Werke geschlossen, insgesamt 54. Während dieser Zeit wurden alle „überlebenden“ Rüben-Zuckerfabriken von Anbauer-Genossenschaften übernommen. Hätte es nicht die Investitions- bereitschaft der Rübenanbauer gegeben, wären alle diese Werke wahrscheinlich geschlossen worden.
 
Preisentwicklung am US-Markt - August 2010 = 100 %

USA Grafik Preisentwicklung



US-Zuckerpolitik ist haushaltsneutral

Wir sind ebenfalls  stolz auf die US- Zuckerpolitik, die seit 2002 ohne Kosten für den US-Steuerzahler funktioniert. Die Regierung benutzt Vermarktungskontingente und Importzölle, um Angebot und Nachfra- ge auszugleichen und die Marktstabilität zu gewährleisten. Das war besonders herausfordernd seit 2008, als Mexiko im Rahmen der Regelungen der nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA) unbegrenzten zollfreien Zugang zum US-Zuckermarkt erhielt.

Enorme Importe wegen Freihandelsabkommen

Darüber  hinaus  gewähren wir  40 Ländern innerhalb der WTO, den zentralamerikanischen Staaten der CAFTA sowie Kolumbien, Peru und Panama, zollfreien Marktzugang für bestimmte  Volumina.  Die auf  diese Weise gewährten Konzessionen übersteigen  rund  1,3 Millionen t Zucker und werden unabhängig von der Versorgungslage des US-Markts eingeräumt.  Dadurch gehören die USA heute  beständig  zu den größten  Zuckerimporteuren  der Welt.

US-Zuckermarkt

Zwischen 1982 und 2008 bewegten sich die Großhandelspreise für Weißzucker selten außerhalb  einer Bandbreite von 550-640 $/t. In dieser ausgeprägten Niedrigpreisphase des Zuckers betrug die allgemeine Teuerungsrate im Lande   123 %, was schreckliche Auswirkungen für die US-Zuckererzeuger  hatte.  In   2010 und 2011 trieb allerdings der Anstieg der Weltmarktpreise den US-Binnenpreis auf ein 30-Jahres-Hoch mit ei- nem  Jahresmittel   nahe   bei  1.200 $/t. Das eröffnete den verbliebenen Erzeugern die Möglichkeit, einen Teil ihrer Verschuldung  zu tilgen und in Vorsorge für wieder schwierigere Zeiten, in ihre Anlagen zu investieren.
Die schwierigen Zeiten kamen schnell. Mit dem Segen (dem Fluch?) günstiger Witterung in weiten Landesteilen fielen 2012/13  exzellente Ernten bei Zuckerrüben und Zuckerrohr in den USA und Mexiko zusammen.  Die US-Zuckerpreise stürzten um beinahe  50 % auf 700 $/t oder weniger ab.

Importe begrenzen heimische Anbauer

Weil wir einer Überversorgung ins Auge blicken, müssen die amerikani- schen  Erzeuger  mit   einer  Begren- zung ihrer Vermarktungskontingente durch die Regierung rechnen.
Wir hoffen,  dass Mexiko nicht zu viel  Zucker  in  die  USA exportiert. Unsere Importe aus Mexiko waren in der Vergangenheit minimal, aber sie sind,  seit der freie Zugang  2008 eröffnet wurde, auf 1,5 Millionen t p.a. emporgeschossen. Unsere Erzeuger nehmen zur Kenntnis, dass der größte Zuckerproduzent und -exporteur Mexikos der Staat ist, der ein Fünftel der Zuckermühlen des Landes besitzt und  betreibt. Aber das sind die Regeln  des  Handels  und  wir müssen, ebenso wie die europäischen Landwirte, damit leben.

Im Zuge der US-Zuckerpolitik wurden zahlreiche Zuckerfabriken und Raffinerien geschlossen.  Die 1893 erbaute und zu dieser Zeit weltweit größte Zuckerraffinerie in Brooklyn, New York, musste ihre Tore im Januar 2004 schließen (Foto oben).       

Foto:  dzz
Quelle: Weißzucker Großhandel – USDA;
Einzelhandelprodukte - Bureau of Labor Statistics, Monatsmittel November - Dezember 2012.