Agrarministerium muss bleiben

Landwirte im Spagat zwischen den Anforderungen der Gesellschaft und internationaler Wettbewerbsfähigkeit

Joachim Rukwied ist seit Juni 2012 Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Die dzz sprach mit dem Zuckerrübenanbauer aus Eberstadt über die EU-Agrarpolitik, deren Umsetzung in Deutschland und die Zukunft des Landwirtschaftsministeriums.

Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU ist neu ausgerichtet worden. Ökologische Aspekte haben an Bedeutung gewonnen. Gleichzeitig werden die Landwirte immer stärker dem Markt ausgesetzt. Wie passt das zusammen?

Die Landwirte in Deutschland wirtschaften in ihrem eigenen Interesse nachhaltig. Das war und ist auch ohne die kommende Agrarreform der Fall. Letztendlich sind aber nur wirtschaftlich erfolgreiche und somit ökonomisch gesunde Unternehmen in der Lage, die hohen Anforderungen der Gesellschaft hinsichtlich Natur-, Umwelt- und Tierschutz zu erfüllen. Die Frage, wie sich unsere Betriebe angesichts immer weiterer Auflagen – und somit höherer Produktionskosten – im weltweiten Wettbewerb behaupten sollen, war in dem Diskussionsprozess um die Agrarreform völlig in den Hintergrund gedrängt. Vor allem die bislang bekannten Anforderungen des sogenannten „Greening“ können für unsere Landwirte je nach nationaler Ausgestaltung gravierende Nachteile  im globalen Wettbewerb mit sich bringen. Die dadurch verursachte Bürokratie wird zudem ungeahnte Ausmaße annehmen. Die Einhaltung dieser unzähligen Vorschriften schränkt das unternehmerische Handeln ein. Der Zeitaufwand für Dokumentation und Begleitung der Kontrollen bindet Kapazitäten, die der Betriebsleiter nicht produktiv nutzen kann.

Gebhard-Rukwied-2013-Dez

Immer im intensiven Austausch -
VSZ-Vorsitzender Dr. Hans-Jörg Gebhard (links) und DBV-Präsident Joachim Rukwied

 

Die nationale Umsetzung der GAP lässt den Mitgliedstaaten immer mehr Gestaltungsfreiräume. In Deutschland hat sich die Agrarministerkonferenz für eine unterschiedliche Behandlung großer und kleiner Betriebe entschieden und Finanzmittel in die zweite Säule verschoben. Ist das ein Wettbewerbsnachteil für die deutschen Bauern?

Die enormen Gestaltungsspielräume der Mitgliedsstaaten – mit der man sich meines Erachtens auf EU-Ebene die Zustimmung der Nationalstaaten zu dieser Agrarreform erkauft hat – kommen in der Tat einer Renationalisierung der Agrarpolitik gleich.  Völlig unterschiedliche nationale Umsetzungsmöglichkeiten der Agrarreform sind nicht gerade das, was man sich unter einer Gemeinsamen Agrarpolitik vorstellt. Dies wird unweigerlich zu weiteren Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EU führen. Die Auswirkungen auf die deutsche Landwirtschaft können wir jedoch erst beurteilen, wenn wir wissen wie die Agrarreform in den anderen EU-Ländern umgesetzt wird. Die Besserstellung der kleineren und mittleren Betriebsgrößen in Deutschland ist natürlich nur zu Lasten der größeren Betriebe möglich. Das ist Fakt. Dies war aber politisch gewollt. Natürlich wird dies von unseren Mitgliedsbetrieben je nach Betroffenheit unterschiedlich bewertet. Im Gegensatz zur 1. Säule sind die Zahlungen der 2. Säule deutlich weniger oder gar nicht einkommenswirksam. Bei Umweltprogrammen werden beispielsweise nur die über die gute fachliche Praxis hinausgehenden Maßnahmen ausgeglichen. Deshalb haben wir eine Umverteilung von der 1. in die 2. Säule stets abgelehnt.


In den Koalitionsverhandlungen wurde offenbar kontrovers über den zukünftigen Zuschnitt des Landwirtschaftsministeriums diskutiert. Wie sollte Ihrer Meinung nach die bundesdeutsche Agrarpolitik grundsätzlich aufgestellt werden? Mit welchen anderen Politikbereichen sollte das Agrarressort verbunden werden?

Was sich der Berufsstand von der künftigen Bundesregierung in Sachen Agrarpolitik erwartet, hat der Deutsche Bauernverband mit seinem Mitte Oktober 2013 verabschiedeten Positionspapier zu den Koalitionsverhandlungen deutlich gemacht. Wir brauchen vor allem eine Agrarpolitik mit einem verantwortungsvollen und verlässlichen Kurs für eine moderne, marktorientierte und nachhaltige Land- und Forstwirtschaft. Dies beinhaltet unter anderem neben der zügigen nationalen  Umsetzung der Agrarreform eine verantwortliche Steuer- und Sozialpolitik sowie den Schutz bäuerlichen Eigentums vor zunehmenden Nutzungsbeeinträchtigungen und Bewirtschaftungsvorgaben. Grundsätzlich gilt es, eine Strategie für eine wettbewerbsfähige, umwelt- und tiergerechte Landwirtschaft am Standort Deutschland zu verfolgen. Nicht zuletzt brauchen wir auch eine Forschungs- und Innovationsoffensive „Agrar“ für einen besseren Ressourcenschutz in der Landwirtschaft mit einem besseren Transfer der Forschungs-Ergebnisse in die Praxis. Damit dies alles verwirklicht werden kann, ist weiterhin ein starkes, eigenständiges Bundesministerium für die Land- und Ernährungswirtschaft sowie den Verbraucherschutz unerlässlich. Die Verbindung zu anderen Politikbereichen ergibt sich zwangsläufig aus den zu entscheidenden Themen, die nicht in die alleinige Zuständigkeit des Agrarressorts fallen.