Ein Markt im Wandel

Ende der Zuckerquote 2017 – was dann?

Rübenanbauer und Zuckerfabriken müssen noch enger zusammenrücken

Dr. Hans-Jörg Gebhard, Vorsitzender des VSZ - Die Rübenernte 2013 hat gerade begonnen. Die diesjährige und noch drei weitere Kampagnen werden unter dem Regime der EU-Zuckerquoten stattfinden, dann endet die Kontingentierung. So haben es die Landwirtschaftsminister und das Europäische Parlament im Juni beschlossen. Bis die innergemeinschaftliche Mengensteuerung fällt, wird also noch einige Zeit vergehen.

Strategien entwickeln
Andererseits legen Landwirte schon im Sommer 2016 fest, welche Kulturen sie 2017 anbauen werden. So gesehen sind es nur noch zweieinhalb Jahre. Falls Investitionen für den Rübenanbau im landwirtschaftlichen Betrieb anstehen, bleibt sogar noch weniger Zeit, sich eine Meinung zu bilden, wie es nach dem Quotenende weitergehen wird. Doch das kann heute niemand mit Gewissheit vorhersagen. Ende Oktober werden die Vertreter der Rübenanbauer-Verbände und der SZVG mit Südzucker eine Strategiediskussion auf oberster Ebene eröffnen. Die Vorarbeiten dazu laufen auf beiden Seiten bereits seit einiger Zeit. Bis zu den Winterversammlungen 2014 sollen die Grundzüge der künftigen Zusammenarbeit geklärt sein. Auch wenn noch vieles im Dunkeln liegt, lässt sich doch die eine oder andere Entwicklung nach dem Quotenende schon heute mit einiger Zuverlässigkeit prognostizieren. Zunächst ist mit einem größeren Angebot auf dem EU-Markt für Süßungsmittel zu rechnen. Dafür gibt es zwei Gründe: Einige Zuckerunternehmen, die heute regelmäßig Kampagnen unter 100 Tagen fahren, werden versuchen, ihre Kapazitäten besser auszulasten und mehr Zucker zu erzeugen. Die EU-Hersteller von Isoglukose (aus Mais oder Weizen), die bisher durch das Quotensystem auf 700.000 t Jahreserzeugung kontingentiert sind, werden mit Sicherheit zulegen, denn ihre Quote endet ebenfalls 2017.

Gegenläufige Entwicklungen am EU-Zuckermarkt
Wie hoch der Anstieg ausfällt, wird vor allem davon abhängen, welcher Preis für Isoglukose sich einstellt. Dies wiederum hängt zum einen vom Zuckerpreis ab, zum anderen von den Rohstoffkosten der Isoglukose, also von den Getreide- und Maispreisen. Allerdings sind am EU-Zuckermarkt auch gegenläufige Entwicklungen zu erwarten. Durch den oben beschriebenen Angebotsdruck dürfte der Zuckerpreis in Europa deutlich sinken. Damit verliert der Markt aller Voraussicht nach an Attraktivität für die Entwicklungsländer mit präferentiellem Zugang (AKP und LDC). Auch einige EU-Produzenten mit geringerer Wettbewerbskraft könnten früher oder später ihre Erzeugung anpassen oder gar einstellen müssen. Schließlich ist es nicht mehr als recht und billig, dass die Begrenzung des Exports von EU-Zucker auf den Weltmarkt durch die Welthandelsorganisation mit dem Quotenende ebenfalls wegfällt. Dann bestünde wieder die Möglichkeit, Nachfrage außerhalb der EU, in Nordafrika und im Nahen Osten, mit europäischer Ware zu versorgen, wie dies vor 2005 regelmäßig der Fall war. Fragt sich nur, zu welchem Preis.

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Ideale Bedingungen für gefrässige Mäuse - noch

Weltmarktpreis behält Einfluss
Das alles könnte für eine erhebliche Marktentlastung sorgen. Leider ist es praktisch unmöglich, die voraussichtlichen Entwicklungen auch nur annähernd zu quantifizieren, um die Zuckermenge zu schätzen, die die wettbewerbsfähigen Erzeuger in der EU langfristig produzieren können. Viel wird davon abhängen, zu welchen Preisen Zucker 2017 und danach am Weltmarkt gehandelt wird, wie viel das Getreide zur Herstellung des Konkurrenzprodukts Isoglukose kostet und wie sich die Zuckerrübe im Anbau gegen ihre Wettbewerber behaupten kann.

Volatilitäten steigen
So gut wie sicher ist dagegen, dass die Schwankungen von Preisen und Erzeugungsmengen für die Rübenanbauer, die Zuckerfabriken und die Zuckerverwender gegenüber heute deutlich zunehmen werden. Landwirte und Zuckerunternehmen müssen deshalb noch stärker als bisher in mehrjährigen Zeiträumen denken, wenn sie ihre Rentabilität beurteilen. Überhaupt werden Rübenanbauer und Fabriken in Zukunft noch stärker aufeinander angewiesen sein als bisher. Der rauere Wind des zunehmenden Wettbewerbs der Zuckererzeuger in der EU untereinander wird sie zusammenschweißen oder sie gehen gemeinsam unter. Denn selbst das profitabelste Zuckerunternehmen müsste kapitulieren, wenn es keine Landwirte mehr findet, die Rüben anbauen. Aber auch ein Ertrag von mehr als 100 t Rüben pro Hektar würde keinen Sinn machen, wenn die verarbeitende Zuckerfabrik in der Region nicht mehr auf ihre Kosten kommt.

Risiken minimieren - Chancen nutzen
Große Herausforderungen stehen also bevor, so viel ist sicher. Unklar ist dagegen heute noch, wie ihnen am besten zu begegnen ist. Derjenige dürfte gut beraten sein, der die Unwägbarkeiten annimmt und sich nicht einbildet, alle Risiken im Voraus absichern zu können. Wo Risiken sind, bestehen auch Chancen. Im Einzugsgebiet der Südzucker gibt es hoch effiziente Zuckerfabriken und wettbewerbsfähige Rübenanbauer. Die Aussichten, auch unter den Rahmenbedingungen nach 2017 bestehen zu können, sind gut. Die Mehrheitsbeteiligung der Rübenanbauer an der Südzucker AG kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten.