Die Natur kennt keinen nackten Boden

Rainer Even, Beratungsteam Pflanzenproduktion im Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen -
Der Anbau von Zwischenfrüchten vor Sommerungen wie Zuckerrübe ist ...

... seit langem ein wesentlicher Bestandteil des nachhaltigen Ackerbaus. Insbesondere wenndurch den Anbau bestimmter Arten oder Sorten - wie bei nematoden-resistentem Gelbsenf/Ölrettich - direkt die Anbausicherheit der Folgekultur positiv beeinflusst wird. Zudem sind gelungene Zwischenfruchtaufwüchse ein guter Imageträger für die Landwirtschaft. Insbesondere als blühende Landschaft und damit Bienenweide im Herbst.

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Augenweide: Gelber Senf, blaue Phacelia, violette Erbsen

Boden schützen - Bodenleben ernähren
Im Bereich des Boden- und Gewässerschutzes besitzen Zwischenfrüchte eine unbestritten hohe Akzeptanz, denn durch den Anbau von stickstoffbedürftigen Arten wie Gräser, Kreuzblütler usw. können erhebliche Mengen an mineralischem Stickstoff vor der  Auswaschung über Winter geschützt werden. Durch den entsprechenden Aufwuchs wird zudem der Boden vor der direkten Einwirkung von Regen und Sonne geschützt (Schattengare).
Als einen wesentlichen Kennwert unserer aktiven Böden ziehen wir die Regenwurmtätigkeit heran. Hier wird deutlich, dass die angebauten Zwischenfrüchte organisches Material auf der Oberfläche hinterlassen, die dem Regenwurm als Nahrung dient, denn dieser hat es in den 200 bis 300 Jahren in denen die Landwirte Bodenbearbeitung durchführen, nicht gelernt, dass ihm das Futter entgegengebracht wird.

Demoflächen als erster Schritt
Um die Frage des Zwischenfruchtanbaus insbesondere bei Mischungen neu in die Praxis zu tragen bzw. zu diskutieren sind im Herbst 2010 bis 2012 jeweils mehrere Mischungen im Vergleich zu Gelbsenf/Ölrettich und einer Strohmulchkontrolle angebaut worden.

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In derartigen Demoanlagen sind "Null-Parzellen" als Bezugspunkt unverzichtbar.

Die Anlage erfolgte in Hofgeismar/Beberbeck als Streifen-Demonstrationen pfluglos nach Wintergerste bzw. -weizen vor Zuckerrüben. In den entsprechenden Zeiträumen sind Nmin-Werte beim Wachstum und, Aufwuchsproben der Zwischenfrüchte sowie bei den folgenden Zuckerrüben Nmin-Werte erhoben worden. Darüber hinaus wurden die geernteten Zuckerrüben auf ihre Qualität untersucht. Da die Werte nicht aus Exaktversuchen stammen und die Ernte der Zuckerrüben 2013 noch aussteht kann noch keine endgültige Bewertung durchgeführt werden.

Artenvielfalt bei Zwischenfrucht-Mischungen
Kategorie in Mischungen enthaltene Arten
Kreuzblütler Gelbsenf, Ölrettich, Rettich „TR“
Leguminose Ackerbohne, Erbse, Wicke, Lupine, Alexandriner-, Perser- und Inkarnatklee, Seradella
Gräser einj.-/welsches Weidelgras, Rau-/Schwarzhafer
Sonstiges Phacelia, Sonnenblume, Buchweizen, Öllein, Ramtilkraut, Kresse

Zwischenfazit
Bis jetzt bleiben folgende Punkte festzuhalten:

  • Zwischenfruchtmischungen kombinieren nicht nur positive Effekte für den Ackerbau sondern werden auch von Jägern und Imkern positiv gesehen.
  • Legume Stickstoffbindung erfolgt nur, wenn ein ausreichend früher Saattermin eingehalten wird (in Nordhessen ist der 10. August spätester Termin für Ackerbohne und Erbse).
  • Organische Düngermengen (insbesondere Kompost) fördern die Besiedlung mit Knöllchenbakterien.
  • Im oberirdischen Aufwuchs von leguminosenhaltigen Mischungen werden bis zu 200 kg Stickstoff/Hektar gebunden.
  • Durch den Anbau von Mischungen können positive Effekte einzelner Arten positiv miteinander kombiniert werden:
    • Erbse: legume Stickstoffbindung
    • Sonnenblume: Tiefwurzeler/Blüheffekt
    • Phacelia: Phosphoraufschluss/Bienenweide
    • Gelbsenf: Stickstoffkonserve/Blüheffekt.
  • Die Mischung muss je Fruchtfolgebetriebsindividuell gewählt werden.
  • Sind in Mischungen Arten enthalten,die früh samenreif werden (Buchweizen) muss der Zwischenfruchtbestand entsprechend früh „niedergewalzt“ werden.
  • Die höheren Nmin-Werte im Frühjahr/4-Blatt-Stadium der Rüben haben nicht automatisch zu schlechteren Qualitäten der Zuckerrüben geführt.
  • Nur weitere Exaktversuche können endgültige Informationen über die Stickstoffdynamik der Aufwüchse aus  Zwischenfruchtmischungen bringen.
  • Die Wirkung von nematodenresistenten Arten, die in den Mischungen enthalten sind, muss in Exaktversuchen ermittelt werden.

Bei der Wahl der Zwischenfrucht (Mischung) muss sehr genau auf die Fruchtfolge Rücksicht genommen werden, denn Arten, die für das eine Fruchtfolgeglied positiv (z.B. Nematodenbekämpfung in der Zuckerrübe) sein können, sind für den Rapsanbau – als  Wirtspflanze vieler Krankheiten (Kohlhernie) negativ. Auch muss beim Einsatz von Leguminosen die mögliche Stickstoffbindung und -umsetzung in den Zuckerrüben richtig bewertet werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des Gewässerschutzes.

Zwischenfrüchte - nachhaltiger Ackerbau
  ökonomisch ökologisch sozial
N-Konserve +++ +++ +++
Erosionsschutz +++ +++ +++
Erschließung von Boden +++ ++ ++
legume N-Bindung ++ ++ +
Humus/C-Speicherung ++ ++ ++
Blüheffekt + +++ +++
Mischungsanbau + ++ ++

 

 

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Buchweizen: Vorsicht bei Samenreife

Das Wichtigste in Kürze
Da im nachhaltigen Ackerbau Pflanze, Boden und Wasser ganzheitlich betrachtet werden, sollte der Zwischenfruchtanbau vor Zuckerrüben zum Standard werden. Nach den bis jetzt gemachten Erfahrungen sind dafür Mischungen, da diese viele positive Aspekte miteinander kombinieren, am sinnvollsten geeignet. Denn auch wenn in den Demonstrationsflächen – zum Glück – keine Erosionen stattgefunden haben, sollten wir bedenken: „Die Natur kennt keinen nackten Boden.“

 

WESENTLICHE ZIELE UND VORTEILE DES ZWISCHENFRUCHTANBAU:

  • Stickstoffbindung im Herbst
  • Biologische Stabilität und Krümelstruktur (wasserbeständige Krümel) Folge: Verbesserung der Ertragsfähigkeit unter kritischen Wachstumsbedingungen
  • Bekämpfung von pilzlichen und tierischen Schaderregern (z.B. Nematoden)
  • Kosteneinsparungen bei der Bodenbearbeitung zur Folge- kultur – eine  biologisch stabilisierte Krume ist durch kein Bodenbearbeitungsgerät der Welt zu verbessern
  • Verwendung von Arten, die nicht mit den Kulturpflanzen verwandt sind
  • Erschließung/Durchwurzelung


FUNKTIONEN, DIE ZWISCHENFRÜCHTE ERFÜLLEN:

  • Trockenkeimer: Buchweizen, Sorghum, Öllein etc.
  • Schattengarebildner: Phacelia, Serradella, Sommerwicken
  • Tiefwurzler: Lupinen, Ackerbohnen, Steinklee
  • Massebildner: Felderbsen, Ackerbohnen, Sonnenblumen
  • Spätsaat-ZF: Rübsen, Futterroggen, Zottelwicke/ Winterwicke
  • Wurzelmassenbildner: insbesondere Mischungen mit Gräsern
  • Phosphoraufschluss: Phacelia
  • Siliziumaufschluss: Öllein
  • Allelopathen: Schwarzhafer, Einjähriges Weidelgras, Grünschnittroggen etc.